Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

Zur publizistischen Auswertung des österreichisch-jugoslawischen Archivabkommens. Eine Erklärung der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs

574 Literaturberichte mit jenem Vortrag gemacht, der wohl am lebhaftesten diskutiert wurde. Der Umstand, daß der betreffende Referent — nämlich Kaufhold — seine Ergebnisse auf makroökonomischem Weg erarbeitet hatte, rief einige Diskussionsredner auf den Plan, die teils die Notwendigkeit einzelbe­trieblicher Forschungen bzw. mikroökonomischer Kontrolluntersuchungen betonten, teils auf die Lückenhaftigkeit und Unzuverlässigkeit des im 19. Jahrhundert entstandenen statistischen Materials hinwiesen. Was den Zweck von Kaufholds — gleichwohl sehr einleuchtenden — Darlegungen anbelangt, so sollte durch sie vor allem gezeigt werden, „daß der säkulare sozialökonomische Trend der Pauperisierung einen stärkeren Einfluß auf die Herausbildung des Arbeitsmarktes ausübte als die Reformmaßnahmen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich verteilten sich ja auch die Reformen auf die ganze erste Jahrhunderthälfte und, wie Adelmann für den ländlichen Textilbereich Nordwestdeutschlands betonte, hat die seit 1821 forcierte Gemeinheitsteilung den agrarwirtschaftlichen Nahrungs­spielraum der vorerst noch immobilen weiter wachsenden klein- und un­terbäuerlichen Schichten ebenfalls eingeschränkt“. Da nun auch der Name des anderen Nordwestdeutschland-Referenten gefallen ist, sei diesem der Kellenbenzschen Schlußbetrachtung entnommenen Zitat sogleich die von Adelmann selbst stammende Feststellung angefügt: „... die Auswan­derung war vor 1850 neben dem wirtschaftlich bedingten Verzicht auf Familiengründung das wirksamste Mittel, um das Mißverhältnis zwischen Nahrungsspielraum und Übervölkerung abzubauen, zumal die seit dem 18. Jahrhundert in Nordwestdeutschland weit verbreitete Saisonarbeit in der Form der Hollandgängerei sich wegen der wirtschaftlichen Schwierig­keiten der Niederlande in den 1830er und vierziger Jahren kaum noch lohnte“. — Die von Adelmann behandelten Strukturkrisen des nordwest­deutschen ländlichen Textilgewerbes hatten ihre Ursache darin, daß das im Untersuchungsgebiet äußerst labile Gleichgewicht zwischen der Be­völkerung bzw. dem Arbeitskräftepotential einerseits und den auf den regionalen Arbeitsmärkten vorhandenen landwirtschaftlichen und textil­gewerblichen Arbeitsplätzen andererseits nur so lange gewahrt blieb, „wie Bevölkerungsbewegung und Arbeitsplatzangebot auf dem agrar- und tex­tilwirtschaftlichen Sektor sich synchron entwickelten“; das aber „war spätestens seit 1821 nicht mehr der Fall“. Überwunden wurden diese Kri­sensituation hauptsächlich durch einen langwierigen Abwanderungspro­zeß — siehe oben — und durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze mittels regionaler Industrialisierung. Erst in den fünfziger und sechziger Jahren zeichnete sich da und dort eine Besserung der Lage ab. Nach dieser zwar nicht dem Tagungsablauf, wohl aber dem Tagungs­schwerpunkt entsprechenden Vorziehung zweier Neuzeit-Referate sei nun zunächst auf die spezifischen Probleme aufmerksam gemacht, mit denen sich die Spätmittelalter-Referenten auseinandersetzen mußten. Wenn es — um sogleich medias in has res zu gehen — für Mitterauer nicht zweifelhaft ist, daß wir „aktuelle, auf die Gegenwart bezogene historische Fragestellungen, die wir an weit zurückliegende Epochen herantragen, letztlich doch nur mit unserer heutigen Terminologie zu bewältigen im­stande“ sind, dann entspricht diese Auffassung etwa der des 1972 verstor­benen Dopsch-Schülers Theodor Mayer, der sich z. B. nicht scheute, den

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