Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

Zur publizistischen Auswertung des österreichisch-jugoslawischen Archivabkommens. Eine Erklärung der Generaldirektion des Österreichischen Staatsarchivs

516 Literaturberichte Theodor G o m p e r z. Ein Gelehrtenleben im Bürgertum der Franz-Josefs- Zeit. Auswahl seiner Briefe und Aufzeichnungen, 1869—1912, erläutert und zu einer Darstellung seines Lebens verknüpft von Heinrich Gomperz. Neubearbei­tet und hg. von Robert A. Kann (Österreichische Akademie der Wissenschaf­ten, phil.-hist. Klasse: Sitzungsberichte 295 = Veröffentlichungen der Kom­mission für Geschichte der Erziehung und des Unterrichts, hg. von Friedrich Kainz, 14). Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1974. 556 S., 25 Abb. Für die Lebensgeschichte des klassischen Philologen und Historikers der griechischen Philosophie, Theodor Gomperz (1832—1912), die sein Sohn Heinrich (1873—1942) aus Briefen und Aufzeichnungen des Vaters kompi­lierte, gilt das alte Wort „habent sua fata libelli“. Heinrich Gomperz konnte den ersten bis 1868 reichenden Teil dieser monumentalen Vita noch 1936 in Wien veröffentlichen. Er nahm aber das gesamte umfangreiche Manuskript nach Amerika mit, als er nach seiner 1934 erfolgten Zwangs­pensionierung einem Ruf an die Universität Südkalifornien, Los Angeles, folgte. Dort fanden das Manuskript und der Nachlaß von Vater und Sohn Gomperz eine Heimstätte an der Hoose Bibliothek des Philosophischen In­stituts. Den Bemühungen Robert A. Kanns und der Förderung durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften ist es zu danken, daß Theo­dor Gomperz’ Lebensgeschichte endlich ediert werden konnte. Der Hg. entschloß sich zu einer Auswahl. Er beschränkte sich auf die zum Ver­ständnis von Gomperz’ wissenschaftlichem Lebenswerk unumgänglich not­wendigen Partien und legte das Schwergewicht auf Zeitfragen, die vor allem für Historiker von Interesse sind. So konnte auch die Familienge­schichte der Gomperz, die aus anderen Veröffentlichungen bekannt ist, weitgehend ausgeklammert werden. Theodor Gomperz stammte aus einer jüdischen Bankiersfamilie aus Brünn. Er selbst schlug die akademische Laufbahn ein und absolvierte diese vom Privatdozenten bis zu seiner Emeritierung als Ordinarius 1901 an der Universität Wien. Als Geisteswissenschaftler und Angehöriger des Großbürgertums stand er in regem Kontakt mit Persönlichkeiten wie Ferdinand von Saar und Eduard Bauernfeld, Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal. Seine naturwissenschaftlichen Interessen ließen ihn in Briefwechsel mit vielen Naturwissenschaftlern, darunter Charles Darwin und Max Planck, treten. Als Verehrer des Positivisten John Stewart Mill blieb er zeitlebens dessen Thesen verhaftet. Gomperz war zwar seit 1907 Herrenhausmitglied, aber kein Politiker im eigentlichen Sinn des Wortes. Er stand im Lager des deutschen Bürgertums und war Vertreter des liberalen, fortschrittlichen Zentralismus, er war ein Anhänger des großdeutschen Gedankens und ein Freund des Bündnisses Österreich- Ungarns mit dem Deutschen Reich. Die großdeutsche Tradition des El­ternhauses war noch bei seinem Sohn, dem Philosophen Heinrich Gom­perz, lebendig, der 1918 den Anschluß befürwortete und sich noch 1942 in Amerika, ähnlich wie Otto Bauer 1938 in Paris, zum Anschlußgedanken bekannte. Theodor Gomperz war ein Bewunderer des englischen Ver­fassungssystems und ein Gegner der zaristischen Autokratie und des rus­sischen Panslawismus. Obwohl Liberaler, hatte er auch Beziehungen zur Sozialdemokratie, die ihm in dem jungen Ludo Moritz Hartmann be-

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