Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich

Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich 29 der Rede Karls ist „die neue Sachlage“ nur auf seinen angeblich immer gehegten Wunsch bezogen, abdanken zu können. Aber die Geburt Philipps bedeutete ja für Spanien den natürlichen Thronfolger, womit jene Testamentsverfügung von 1522 überholt war, und seine sowie die Ge­burt Maximilians bedeuteten, daß die in den Brüsseler Verträgen in Kauf genommene Möglichkeit der Teilung des Hauses in zwei Linien Realität werden würde. Eine weitere Auswirkung war dann, daß Ferdinand als Kaiser über ein geringeres Machtpotential als Karl würde verfügen kön­nen, wenn er auch viel getan hatte, um seine Basis zu verbreitern, die nun gegenüber der des Großvaters Maximilian um Württemberg, Böhmen und Ungarn vergrößert war * 15S *). Darf man folgern, diese Machtbasis hätte Karl doch für zur Not aus­reichend erachtet, Ferdinand eine angemessene Wahrnehmung der kai­serlichen Pflichten zu gestatten? Zudem mochten sich die Habsburger wohl ausrechnen, daß im Falle eines vorzeitigen Todes Karls Philipp keine Chance hatte, sein Nachfolger im Reich zu werden, und daß Ferdinand viel besser als präsumtiver Kaiser die Interessen des Gesamthauses und des unmündigen Philipp würde wahren können 154). Spanische Histo­riker sind der Meinung, Karl habe damals aus der Einsicht gehandelt, die beiden großen Teile des habsburgischen Besitzes würden auf Dauer nicht zusammengehalten werden können 155). Peter Rassow hingegen hat die Überlegung angestellt, ob Karl schon damals die später ins Auge ge­faßte Regelung vorgeschwebt habe, das Kaisertum zwischen beiden Li­nien alternieren zu lassen166). Man sollte aber auch berücksichtigen, daß zu dem Zeitpunkt, als Karl die Sondierungen bei den Kurfürsten be­ginnen ließ, beide Prinzen noch im zartesten Alter waren und niemand wissen konnte, ob sie die gefährdeten ersten Lebensjahre überstehen wür­den. Die mit der Wahl Ferdinands verbundenen politischen Vorteile konn­ten selbst durch eine relativ frühzeitige Erhebung Philipps — wenn sie sich, was wegen Karls Wahlkapitulation aber ziemlich unwahrscheinlich war, durchsetzen ließ — nicht eingebracht werden 157). Um der Zukunft Philipps willen 1528/30 auf die Erhöhung Ferdinands zu verzichten, hätte ein verlustreiches Geschäft werden können, und überdies hätte Karl sein Wort von Ferdinand zurückverlangen und zumindest dessen schwere Verstimmung in Kauf nehmen müssen 158). '53) Rassow Politische Welt 15. 1M) H. G. Koenigsberger The Habsburgs and Europe, 1516—1660 (Itha­ca, London 1971) 56 nimmt an, das sei für Karl auch ein Motiv gewesen. 155) Ramon Menendez Pidal Formáción del fundamental pensamiento politico de Carlos V in Peter Rassow und Fritz Schalk Karl V. Der Kaiser und seine Zeit (Köln 1960) 164f; Manuel Fernandez Alvarez Politica mundiál de Carlos V y Felipe II (Madrid 1966) 33. 15«) Rassow Kaiseridee 83. 137) Siehe aber den Exkurs unten S. 50 f. iss) vgi, auch Sutter Vorwort 131*.

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