Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

300 Richard Schober undisziplinierten Partei. Aus der Kurie des Großgrundbesitzes waren die Konservativen verdrängt worden, und Zallingers Einzug in den Landtag hatte die innerparteiliche Opposition aufgewertet. Das krasseste Beispiel der Disziplinlosigkeit bot der Abgeordnete Vinzenz Gasser, der trotz einer Intervention des Fürstbischofs Simon Aichner166 167) und ernster Vorstel­lungen Kathreins16 7) die Annahme des Haller Mandates ablehnte, das schließlich den Liberalen in die Hände fiel. Dabei wurde Gasser von einer Welle der Sympathie seiner Wähler getragen, und selbst der liberale Bürgermeister von Kufstein erklärte, daß er für ihn stimmen würde. Tat­sächlich verloren dann die Konservativen den Landtagssitz an den Libe­ralen Ludwig Schuhmacher, der aber so gemäßigt war, daß er sogar die klerikale Schulpetition unterschrieben hatte. Weiters wurde die Partei durch die aussichtslose Lage ihrer Presse stark beeinträchtigt. Aus einem Brief des Verantwortlichen für die Neuen Ti­roler Stimmen, Julius Riccabona, geht hervor, daß er durch längere Zeit das Blatt durch Zahlungen aus seiner eigenen Tasche über Wasser halten mußte. Er weigerte sich, weiter zu zahlen, und meinte: „Unsere Partei geht am Mangel an Opferwilligkeit zugrunde“ 168). Den einzigen Lichtblick stellte der Erfolg der Konservativen bei den Verhandlungen über die Zusammensetzung des Landesausschusses dar. Kathrein bot den Nationalkonservativen unter Bazzanella auf Beschluß der Parteikonferenz vom 3. September 1889 von 13 Komiteesitzen fünf unter der Bedingung an, daß sie bei der Wahl des Landesausschusses den deutschen Konservativen helfen würden, ihren Besitzstand zu hal­ten 169). Die Italiener stimmten zu, denn sie standen auf dem Standpunkt, daß im Landesausschuß eine konservative Mehrheit vorhanden sein müs­se 17°), und so blieb es bei der alten Verteilung der Regierungssitze. Deut­sche Liberale, Konservative und Italiener stellten weiterhin je zwei Re­gierungsmitglieder 171). Die Konservativen Deutschtirols waren überhaupt bestrebt, mit den konservativen Italienern weiterhin in ideologischen Fra­gen zusammenzuarbeiten, wenn sie auch deren nationale Bestrebungen ablehnten und bekämpften 172). Die Stellung der Nationalkonservativen zur Kirche hatte sich bereits stark geändert, wenn sie auch in der Schulfrage fest zu den deutschen Konser­vativen und den Bischöfen hielten. Da sich der Fürstbischof von Trient Valussi mit seinen politischen Anhängern, den Vocisten, gegen den na­tionalkonservativen Popolo Trentino gestellt hatte und das Blatt sogar 166) TLA Nachlaß Kathrein: Simon Aichner an Kathrein, 1889 Juni 16. 167) Ebenda: Kathrein an Gasser (Konzept), 1889 Juni 18. 168) Ebenda: Riccabona an Kathrein, 1889 Juli 11. i«9) Ebenda: Notiz Kathreins, Beschlüsse der Parteikonferenz, 1889 Sep­tember 3. no) Ebenda: Fürstbischof Valussi an Kathrein, 1889 Oktober 9. in) TLA Statth. Präs. 3/II 6414: Widmann an Taaffe, 1889 Oktober 15. 172) TLA Nachlaß Kathrein: Rapp an Kathrein, 1889 August 21.

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