Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

296 Richard Schober Italienern sogar einen eigenen Kreistag oder Bezirksvertretungen ange- boten haben * 151). Für die Italiener war sicherlich eine Wahlreform, die ihnen eine stärkere Vertretung entsprechend ihrer höheren Bevölkerungszahl zusicherte, von größter Bedeutung. Doch schon der Autonomieantrag von 1884 hatte ge­zeigt, daß sie mehr wollten. Nachdem die Konservativen mit den Libe­ralen zwecklos verhandelt hatten 152), nützten die Italiener die Chance und konferierten sowohl mit den Konservativen als auch mit den Libe­ralen; ihre Gunst wollten sie der Partei zukommen lassen, die ihnen weiter entgegenkam 153). Erst wenige Tage vor der Wahl entschieden sich die Italiener für die Deutschliberalen, die ihnen nicht nur eine Wahlre­form, sondern angeblich auch die Teilung des Landesschulrates und der Großgrundbesitzerkurie für das Trentino versprochen hatten 154). Unter Ausschaltung konfessioneller und freiheitlicher ideologischer Fra­gen wandten sich beide Parteien an ihre Wähler und betonten den ge­meinsamen Kampf für die Autonomie 155). Die Liberalen übervorteilten jedoch die Italiener gewaltig, denn es war bei der Haltung der Regierung und der konservativen Majoritätspartei vollkommen ausgeschlossen, daß den Italienern ein eigener Landtag konzediert würde. Der Kompromiß war für die deutschen Liberalen ein großer taktischer Sieg, denn durch das Zusammengehen mit den Italienern beeinträchtigten sie die bisherige unbeschränkte Herrschaft der Konservativen im Landtag, ohne den Ita­lienern ein ihrer Überzeugung widersprechendes substantielles Zuge­ständnis machen zu müssen. Schon am Vorabend der Wahl stellten die deutschen Liberalen öffentlich jedes Zugeständnis in der Autonomiefrage ihren Wählern gegenüber in Abrede166). Die parteiegoistische Politik der damaligen Ära zeigt deutlich der Umstand, daß es niemanden störte, wenn im Reichsrat konservative Abgeordnete des Großgrundbesitzes auf­grund eines Kompromisses mit den italienischen Nationalliberalen saßen, während im Landtag in derselben Kurie die Deutschliberalen ihren Platz aufgrund eines Übereinkommens mit den Nationalliberalen einnahmen. Die einzige Erklärung für diese Schaukelpolitik liegt im nationalen Den­ken der Italiener, hinter dem die ideologische Überzeugung zurückstehen mußte. Gerade umgekehrt verhielten sich die deutschen Konservativen. Um die liberalen Deutschen zu schwächen, verbündeten sie sich 1885 mit isi) Bier Autonomiekampf 456. 152) im September hatte der Siebener-Ausschuß Verhandlungen mit den Ita­lienern trotz des Angebotes an die Italiener offen gelassen: vgl. TLA Nach­laß Kathrein: Protokoll 1888 September 13 und die bei Bier Autonomiekampf 456 zitierte Notiz des Popolo Trentino. 153) TLA Statth. Präs. 4044 ad 3/II 3486: Widmann an Taaffe, 1889 Juni 26. 151) Ebenda 6797 ad 3/II 3486: Widmann an Taaffe, 1889 November 2. i56) Ebenda ad 3/II 1492: Polizeikommissariat Trient an Hofrat Rungg in Trient, 1889 Juni 6. 153) Ebenda 4436 ad 3/II 4179: Widmann an Taaffe, 1889 Juli 10.

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