Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

288 Richard Schober da man der Auffassung war, daß der Entwurf auch ihnen genehm sein müsse 118). So standen die Dinge im Reichsrat 1887. Es kann also durch­aus nicht behauptet werden, daß die Tiroler Reichsratsabgeordneten die Schulfrage vernachlässigt hätten. Sie waren nur gezwungen, hinter den Kulissen im Schoße des Klubs zu arbeiten, denn sie konnten die Re­gierung, nachdem sie der Majorität angehörten, nicht direkt angreifen. Zallinger und der „Katholisch-Politische Volksverein“ wollten aber „öf­fentliche Schritte“ sehen, auf die das katholische Volk angeblich war­tete 118). Wieweit Zallinger den Verein bereits für seine Politik gewonnen hatte, zeigt deutlich ein Schreiben des Schriftführers Helfer an Kathrein, in dem jener erklärte, daß er „den tiefverletzten Zallinger mit seinem großen Anhänge nicht abstoßen“ könne 12°). Der Bruch zwischen Zallinger und der Mehrheit der tirolischen Reichsratsabgeordneten hatte sich noch mehr vertieft. So meinte Kathrein in einem Brief an Helfer: „Nun Sie glauben, daß der Friede einen Stoß dadurch [durch das Promemoria] erhalten, so bemerke ich, daß dieser Friede immer nur ein fauler war. Es war kurzsichtig zu glauben, daß mit Herrn von Zallinger eine politische Ver­söhnung außer der Bedingung der vollkommenen Unterwerfung unter ihn möglich sei“ 121). Der Bozener Dissident hatte seine glühendsten Anhänger in der jungen Geistlichkeit, die später Träger der christlichsozialen Bewegung in Tirol werden sollte. Der Volksverein war für Zallinger und seine Gefolgs­leute jedenfalls „ein empfängliches Feld für die Ausstreuung separatisti­scher Tendenzen . ..“. Der Redakteur des Burggräflers sah in einem Brief an Kathrein die Einigkeit der Partei erst durch eine sechsjährige Herr­schaft einer liberalen Mehrheit im Reichsrat wieder erreichbar. „Dann werden die jungen Kapläne etwas abgekühlt und reumütig Culpa rufen und zur Einheit und unter die Fuchtel des Innsbrucker Zentralwahlkomi­tees zurückkehren ...“ 122). Die politischen Konsequenzen des erschütterten Parteigefüges zeigten sich bald, als es dem radikalen Georg Ritter von Schönerer, also sogar einem Nichttiroler, gelang, einen liberalen Bauernverein zu gründen, der wohl nie den Konservativen gefährlich werden konnte, aber doch einen Angriff auf die ureigenste Domäne der Partei in Tirol bedeutete123). Nur die 118) TLA Nachlaß Kathrein: Promemoria An den geehrten Ausschuß des Katholisch-Politischen Volksvereins für Deutschtirol, Ende August 1887. 119) Ebenda: Helfer an Kathrein, 1887 Oktober 10. 12°) Kathrein hatte Zallinger in seinem Promemoria (siehe Anm. 118) „per­fid“ genannt, weil er wider besseres Wissen seine Kollegen im Reichsrat an­gegriffen habe. 121) TLA Nachlaß Kathrein: Kathrein an Helfer, 1887 Oktober 15. 122) Ebenda: Schätzer an Kathrein, 1887 Oktober 15. 123) Ott Geschichte Tirols 1 241.

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