Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe
Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 285 Rechtsverhältnisse der Lehrer eingebracht. Die Konservativen nahmen aber ihre alte Politik der Junktimierung der beiden Fragen wieder auf, da sowohl die Regierung als auch die Liberalen nur ein Interesse an der Regelung der Verhältnisse der Lehrer hatten. Für sie war das Reichsvolksschulgesetz in Kraft und sollte nicht abgeändert werden. Die Liberalen, die das Gesetz ja geschaffen hatten, wollten schon aus diesem Grund keine Novellierung, die Regierung konnte auch keine solche herbeiführen, da dazu eine Zweidrittelmehrheit notwendig gewesen wäre, über die das Ministerium Taaffe im Reichsrat gar nicht verfügte. Hätten die Konservativen einer Regelung der Verhältnisse der Lehrer zugestimmt, so wäre sowohl auf liberaler wie auf Regierungsseite jedes Interesse am Schulaufsichtsgesetz erloschen. So verlangte der konservative Abgeordnete Sebastian Glatz trotz der negativen sozialen Auswirkungen auf die Lehrerschaft bereits in der zweiten Sitzung des Schulausschusses, daß die Abstimmung über die beiden Vorlagen in einem abgeführt werde 109). Damit waren die Verhandlungen, bevor sie überhaupt noch richtig begonnen hatten, zum Scheitern verurteilt. Als die Konservativen im Schulausschuß den Ortsgeistlichen in Abänderung des § 11 der Vorlage zum Ortsschulinspektor machen wollten, lehnte der Regierungsvertreter ab und erklärte, „keine österreichische Regierung könne Landesgesetze in Kraft treten lassen, welche die auf dem gleichen Gebiete geltenden reichsgesetzlichen Grundsätze durchbrechen“uo). Die alte Diskussion über das Verhältnis von Landesrecht zu Reichsrecht war wieder einmal zugunsten des letzteren entschieden worden, aber selbst der Landeshauptmann sah die Notwendigkeit der Änderung des Reichsgesetzes ein, um ein entsprechendes Landesgesetz beschließen zu können m). Da ihre Vorlage zurückgewiesen worden war, bemühte sich die Regierung, die Debatte im Landtag abzuwürgen. Der Landeshauptmann wurde ersucht, die Schulfrage als letzten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, damit jede unerwünschte parlamentarische Auseinandersetzung hintangehalten werde 112). Die Regierung zog ihre Vorlage zurück und nahm Tirol gegenüber eine äußerst harte Haltung ein. Statthalter Widmann bemühte sich, die Regierung zu bewegen, den Lehrern auf administrativem Wege zu helfen. Gautsch lehnte ab. Er schützte wohl rechtliche Bedenken vor, hatte jedoch politische Gründe. Es lag nicht in seiner Absicht, die sozialen Probleme der Lehrer zu lösen, da die Konservativen seine Vorlage zurückgewiesen hatten. Vielleicht wollte Gautsch sogar den „tiefen Bruch“, von dem der Statthalter sprach, zwischen der Konservativen Partei und den Lehrern in Tirol herbeiführen, die erbost darüber waren, daß ihnen die * ii io») Ebenda 361: Präsidialnotiz, 1887 Jänner 13. n°) Ebenda ad 442: Erklärung des Regierungsvertreters, Präsidialerinnerung 1887 Jänner 15. ui) Ebenda 1428: Widmann an Gautsch, 1887 März 8. ii2) Ebenda ad 538: Gautsch an Widmann, 1887 Jänner 19.