Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

284 Richard Schober Kathrein wiederum als Generalredner in der Budgetdebatte, wie schon vor zwei Jahren (28. Februar 1885), die Autonomie der Länder, das histo­rische Recht Tirols und forderte die freie Entfaltung der Nationalitäten in diesem Rahmen. Er lehnte den slawenfeindlichen Standpunkt der Libe­ralen als unpatriotisch ab und stellte die Religion als hauptsächliche Ma­xime der Politik hin108). Dies war im Reichsrat die letzte Forderung nach dem Landesrecht Tirols. Der alte Mann der Partei Greuter war über Kathreins Rede voll des Lobes: „Glauben Sie mir, meine Freude ist groß, weil ich so manches aus Erfahrung weiß, was die Volksseele denkt, fühlt und sagt. Sie haben diese Volksseele ver­standen, und was sie selbst dachte, dem haben Sie ihr offenes, wahres Wort verliehen. Ich gestehe, daß ich Schweigen zwar auch verstehe und würdigen kann, aber konsequentes Schweigen müßte ich wohl aus Rücksicht auf die Wähler gar sehr bedauern. Gottlob, jüngere Kräfte treten auf und erfüllen ganz und alle ihre Pflicht. Seien Sie überzeugt, unser Volk wird es Ihnen nie vergessen“ * 104)! Am 17. Mai warf Kathrein die Schulfrage noch einmal in einer großen Rede auf, die etwas antagonistisch wirkte, wenn er darin gerade die Sla­wen pries, wegen deren zögernder Haltung die Schulfrage zurückgestellt werden mußte. Nur die gesamte Rechte hätte die Regierung wirklich un­ter Druck setzen können 105 *)! Die Slawen hatten kein aufrichtiges Inter­esse daran, denn für sie war nur der Konnex zwischen Schulfrage und Landesautonomie relevant. Überdies stellte innerhalb des tschechischen Klubs die jungtschechische Fraktion, die scharf antikatholisch war, einen ernstzunehmenden Faktor dar loe). Sogleich, als die Regierung im Dezember 1886 ihren Entwurf im Land­tag einbrachte, zeigte es sich, daß kaum Chancen bestanden, zu einer ver­fassungsmäßigen Erledigung der Sache zu kommen. Im Jänner veröffent­lichten die Neuen Tiroler Stimmen einen Artikel, hinter dem die Landes­bischöfe standen und in dem das Scheitern der Verhandlungen in Aus­sicht gestellt wurde 107). Der Grund dafür lag in der Zurückweisung des totalen Führungsanspruches der Kirche im Tiroler Schulwesen. Der Re­gierungsentwurf enthielt wohl die Bestimmung, daß kirchliche Vertreter in den Ortsschulräten, Bezirksschulräten und im Landesschulrat Sitz und Stimme haben sollten, sah aber nicht den Pfarrer als Vorsitzenden des Ortsschulrates vor, wie die Konservativen schon im Jahre 1868 gefordert hatten los). Die Regierung, der sichtlich an der Regelung der Verhältnisse der Lehrer lag, hatte neben ihrer Schulaufsichtsvorlage eine zweite zur Regelung der i»8) st. Prot. X/138 von 1887 April 30, S. 5039; vgl. Ott Geschichte Tirols 1 233. 104) TLA Nachlaß Kathrein: Greuter an Kathrein, 1887 Mai 3. i°5) Ott Geschichte Tirols 1 234. io«) Ebenda 235. i°7) TLA Statth. Präs. 301: Widmann an Gautsch, 1887 Jänner 10. loo) Ebenda 659: Regierungsvorlage, Abschrift.

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