Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe
Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 283 bezüglich Schulaufsicht und Rechtsstellung der Lehrer einzubringen0e). Gautsch war durchaus bereit, diesem Antrag zu entsprechen, doch nur im Rahmen der Reichs Volksschulgesetze "). Damit war dieses Unternehmen von Anfang an zum Scheitern verurteilt, denn die Konservativen forderten weiterhin die kirchliche Schulaufsicht, die dem liberalen Reichsvolksschulgesetz widersprach. Es stand auch nicht zu erwarten, daß die brennenden finanziellen Probleme der Lehrer gelöst würden, die in Tirol, weil die Majorität bisher das Zustandekommen eines Landesschulgesetzes verhindert hatte, nicht einmal das Einkommen eines Taglöhners hatten 10°). Angesichts dessen wird erst deutlich, welche katastrophalen Auswirkungen die stete Junktimierung der konfessionellen Belange mit den berechtigten Wünschen der Lehrer hatte. In den anderen Kronländern waren die Verhältnisse der Lehrerschaft bereits seit 18 Jahren geregelt, in Tirol hatten dies die Konservativen bisher verhindert. Damit trieben sie die Lehrer dem Landeslehrerverein, der ein liberales Gepräge hatte, in die Arme. Dabei strebten das Reichsvolksschulgesetz und auch die liberalen Parteien keine religionslose Schule an, sondern wandten sich nur gegen eine konfessionelle Schule, das heißt gegen den übermäßigen Einfluß der kirchlichen Hierarchie auf das Schulwesen. Was die Konservativen und mit ihnen die Kirche in Tirol anstrebten, drückte der Fürstbischof von Brixen, Simon Aichner, auf dem Landtag deutlich aus: „Die (Schul-)Gesetze kennen die Religion nur als einen Lehrgegenstand neben den anderen und nicht als beherrschenden Mittelpunkt des ganzen Unterrichtes. Dazu steht die Erteilung des Religionsunterrichtes in der Schule unter der alleinigen Oberaufsicht des Staates.“ Und an anderer Stelle derselben Rede: „Der Klerus hat einen geringen Einfluß auf die Schule; der Gesamtunterricht entzieht sich der Aufsicht des Klerus“. Im Gegensatz dazu verlangten die Liberalen die Erziehung der Menschen zu freien und autonomen Individuen, wie sich der liberale Rektor der Universität, Thaner, ausdrückte * 100 101). Ihrer Haltung entsprechend brachten die Liberalen einen gesonderten Schulantrag ein, der die Klärung der Rechtsstellung der Lehrer betraf. Mit ihrer Mehrheit setzten die Konservativen jedoch ihren Antrag durch, der die Regierung aufforderte, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der dem Land Tirol die konfessionelle Schulaufsicht bringen sollte102). Um die Regierung günstig zu stimmen, verzichteten sie im Reichsrat sogar auf die sonst übliche Erklärung zugunsten der Landesrechte und stellten auch die Verfassung nicht mehr als rechtswidrig hin. Als die Regierungsvorlage im Landtag jedoch gefallen war, betonte »8) Sten. Ber. TL VI/4/9 von 1886 Jänner 8. M) TLA Statth. Präs, ad 1142: Gautsch an Widmann, 1886 Februar 23. 100) Neue Tiroler Stimmen 1886 Jänner 9. !01) Sten. Ber. TL VI/4/9 von 1886 Jänner 8. 102) Ebenda.