Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 279 tiven immer als Verfassungsbruch betrachtet und niemals rechtlich anerkannt. Um dem Föderalismus der Partei Genüge zu tun, setzte sich daher das Zentral­wahlkomitee aus einem Ausschuß der konservativen Landtagsabgeordneten zu­sammen, die in Tirol die Majorität bildeten, und war einer Parteileitung gleich­zusetzen, die es im eigentlichen Sinne ja nicht gab 80). Von dieser Parteiführung wurde somit einstimmig beschlossen, Zallinger nicht mehr als Kandidaten aufzustellen. An seiner Stelle wurde für den Bezirk Bozen-Landgemeinden Giovanelli nominiert 81). Daß sich Zallinger diesem Spruch nicht unterwerfen würde, war allen Ein­sichtigen klar. Er nannte die Brixener Beschlüsse „einen unwürdigen Zwang, eine Gewissenstyrannei“82), und kandidierte mit Unterstützung seiner Bozener Opposition. Die Liberalen, denen er im Reichsrat in die Hände gearbeitet hatte, traten für ihn ein, und so wurde er mit 111 gegen 109 Stimmen gewählt83). Damit war Zallinger gegen den Willen der Parteiführung gewählt wor­den und stellte für die konservative Partei weiterhin ein großes Pro­blem dar. Die Reichsratswahlen waren nicht nur wegen des Sieges Zal- lingers von großer Bedeutung, sondern auch wegen der Ereignisse im Großgrundbesitz, der bei den letzten Wahlen liberal gewählt hatte. Seit­her stand der Adel im Gegensatz zur konservativen Landtagsmajorität, die sich hauptsächlich aus den Abgeordneten der Landgemeinden zusam­mensetzte. Diese Verhältnisse waren den Konservativen ein Dorn im Au­ge, und es lag nahe, Mittel und Wege zu suchen, sie zu beseitigen. Der Grund für die liberale Vorherrschaft im Großgrundbesitz lag in der Struktur dieser Wahlkurie. Der Tiroler Adelige war der Bauer mit Hoch­schule, der nach dem Studium seine Güter verwaltete. Bei der dominie­renden Stellung, die der Liberalismus an den Universitäten und Hoch­schulen genoß, war die Aufnahme liberalen Gedankengutes durch die Adeligen der Großgrundbesitzerkurie nur natürlich. Um die Macht im Großgrundbesitz, der unverhältnismäßig viele Abge­ordnete stellte, zu erringen, bot sich für die Konservativen ein Kompromiß mit den nationalliberalen Italienern an, über deren irredentistische Ge­sinnung sie sich einfach hinwegsetzten. Die gleiche Partei, die noch ein Jahr zuvor jedes Zugeständnis in der Autonomiefrage abgelehnt hatte, bot den radikalen Italianissimi plötzlich die Hand. Angekündigt wurde dieser Gesinnungswandel durch autonomiefreundliche Artikel in der kon­servativen Presse. So schrieben die Neuen Tiroler Stimmen: „Wir verkennen nicht, daß in Welschtirol von Deutschtirol ganz verschiedene sprachliche und wirtschaftliche Verhältnisse herrschen, die auch eine ganz verschiedene Behandlung durch gewisse, mit diesen Verhältnissen vollständig vertraute Organe fordern. Vieles trennt uns Deutsche von Welschtirol, aber so) Neue Tiroler Stimmen 1885 Juni 8. si) Neue Tiroler Stimmen 1885 Mai 20. 82) Ebenda. 83) TLA Statth. Präs. 3/II/3236 ex 1885; Neue Tiroler Stimmen 1885 Mai 28.

Next

/
Thumbnails
Contents