Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

278 Richard Schober für den Föderalismus und das Bündnis der Deutschkonservativen mit den Slawen ein: „Wir werden mit unseren österreichischen Brüdern, den Slawen, auch künftig­hin Schulter an Schulter kämpfen für ihr Recht und unser Recht. Von diesem österreichischen Standpunkte aus finde ich es auch nicht gerechtfertigt, warum uns die Deutschen näher sein sollen, als die österreichischen Slawen, beide sind ja Söhne derselben großen Heimat, beide hängen ja mit derselben Treue an demselben großen Reiche.“ Kein Stamm in Österreich solle über den anderen herrschen, jedem werde sein Recht, die Fahne aber, unter der sich alle einig zusammenscharen würden, könne nur die schwarz-gelbe sein 77). Diese Ausführungen Kathreins zeugen von einem immens guten Willen, waren jedoch durchaus unrealistisch, denn der Nationalitätenhader haftete der Monarchie durch die vom Liberalismus hervorgebrachten zentrali­stischen Staatsgrundgesetze an, die den Königreichen und Ländern die ihnen gebührende Selbständigkeit im förderalistischen Sinne vorenthiel­ten. Die Stärke und Kraft des Eisernen Ringes, dessen System Taaffe ge­schaffen hatte, lag gerade in der Gruppierung der Abgeordneten nach ih­rer Nation in einzelne Klubs, die sich zusammengeschlossen hatten, aber ihre Selbständigkeit und Entscheidungsunabhängigkeit bewahrten. Uneinig und geschwächt sahen die Konservativen den Reichsratswahlen 1885 entgegen. Die Angriffe Zallingers auf die Partei rissen nicht ab, und so arbeitete er den Liberalen in die Hände. Die Konservativen hatten fast mehr gegen den Feind im Inneren, als gegen die Liberalen zu kämp­fen. Um einer Spaltung der Partei zuvorzukommen, mußte Einigkeit demonstriert werden. Diesem Zweck diente die Tagung des Zentralwahl­komitees in Brixen am 28. April 1885, zu der Zallinger nicht eingeladen wurde, obwohl er der Partei, wenn auch nicht dem gleichen Klub im Abgeordnetenhaus angehörte. Noch im Jänner war er bei der Parteikon­ferenz in Gries als konservativer Reichsratskandidat auf gestellt worden. Sein Verhalten im Hohen Haus hatte jedoch seine Aufstellung als Kan­didat durch das konservative Zentralwahlkomitee unmöglich gemacht77 78). Die Brixener Konferenz trug zur Straffung der Partei wesentlich bei. Das Zentralwahlkomitee beschloß einstimmig, daß sämtliche Abgeordneten der konservativen deutschtirolischen Partei sich verpflichten müßten, als Reichsratsabgeordnete in denselben Klub einzutreten und während der Mandatsdauer in diesem zu verbleiben, weiters in allen Tirol betreffen­den Fragen einig vorzugehen und sich in allen übrigen Fragen dem je­weiligen Klubbeschluß zu unterwerfen 79). Dieser Beschluß war von größ­ter Bedeutung, denn das Komitee genoß höchste Autorität, da es, wie man fast sagen könnte, für die Konservativen historisch legimiert war. Bis 1873 wurden die Reichsratsabgeordneten nach der Verfassung durch die Landtagsabgeordneten aus deren Mitte gewählt. Das Gesetz von 1873, das die direkte Wahl der Reichsratsabgeordneten vorsah, wurde von den Konserva­77) St. Prot. IX/401 von 1885 Februar 28, S. 13935. 78) Neue Tiroler Stimmen 1885 Juni 18. 79) TLA Nachlaß Kathrein: Notiz Kathreins, 1885 April 28.

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