Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 275 Schenk. Zallinger dürfte die Absicht gehabt haben, als graue Eminenz in Bozen hinter den Kulissen zu agieren. Er scheint mit Kathrein zu einer Art vertraglichen Abmachung gekommen zu sein, im Bezirk Bozen-Land nicht zu kandidieren, wenn Schenk akzeptiert würde, denn der Bozener Abgeordnete machte Kathrein, nachdem Schenk nicht auf die Kandidaten­liste gesetzt worden war, darauf aufmerksam, daß er nun „ganz freie Hand“ für sich beanspruche 67). Wie dies aussehen sollte, zeigte Zallinger am Wahltag. Der altgediente Giovanelli, der schon seit 1864 dem Landtag angehörte, hatte von allen anderen Kandidaten, die durchwegs Konservative waren, am wenigsten Stimmen erhalten. Als sich Schenk, der trotz des Einspruches der Par­teiführung kandidiert hatte, einer Stichwahl stellen mußte, beeinflußte Zallinger die Wahlmänner im Wahllokal, was zur Annullierung der Wahl Schenks durch den Landtag führte. Bei der Neuwahl, die hierauf not­wendig geworden war, wurde Giovanelli fast einstimmig gewählt, nach­dem es der Partei doch gelungen war, Schenk zum Verzicht auf eine Neubewerbung zu veranlassen68). Zallinger ließ jedoch die Sache nicht auf sich beruhen und entfachte einen Zeitungskrieg zwischen seinem Organ, dem Tiroler Volksblatt, und den Tiroler Stimmen, der die unge­heuerlichen Vorkommnisse bei der Wahl erst richtig aufdeckte 69 *). Der Klub der konservativen Landtagsabgeordneten sah sich dadurch ver­anlaßt, eine Erklärung abzugeben, die in einen Aufruf zur Disziplin gipfelte: „Der Club der konservativen Landtagsabgeordneten spricht die Erwartung aus, daß für die Zukunft im vitalsten Interesse der konservativen Sache die Diszi­plin in der Partei streng geachtet werde, wie es in Tirol seit dem Bestehen der verfassungsmäßigen Zustände zum Besten des Landes immer geübt wurde“ ™). Kathrein, der bei den Wahlen im Oberinntal ein Mandat erhalten hatte, setzte sich nach diesem unerfreulichen Fall erst recht für die Einheit der Partei ein. In einem Brief an Fürstbischof Leiß gab er seiner Über­zeugung Ausdruck, daß nur durch das Anlegen strenger Zügel an die kon­servativen Lokalblätter Tiroler Volksblatt und Burggräfler — beide er­schienen in Südtirol — die Partei konsolidiert werden könnte. Er sah die Aufgabe der Tiroler Stimmen darin, daß sie den kleinen Lokalblättern Direktiven geben sollten. Dafür sollten auch die Südtiroler Parteifreunde gewonnen werden, und Kathrein glaubte dadurch den Antagonismus zwi­schen den Konservativen in Nord- und Südtirol abschwächen zu kön­nen 71). a7) Ebenda: Zallinger an Kathrein, 1883 April 28. «s) TLA Statth. Präs. 2999 ad 3/II/2629, 1883 Mai 24. 8») Tiroler Volksblatt 1883 Mai 26, Nr. 50 Beilage. 70) TLA Nachlaß Kathrein: Erklärung des konservativen Landtagsklubs, 1883 Juni 10 Innsbruck. 71) TLA Nachlaß Kathrein: Kathrein an Fürstbischof Leiß, 1883 Oktober 27, Abschrift. 18*

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