Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 273 worden seiS7) und es „eine fiscalische Ausbeutung“ ermögliche58). Zal- linger protestierte beim Ministerpräsidenten Taaffe gegen die Konfiska­tion durch den Bozener Bezirkshauptmann Ströbele und warnte vor der steigenden Agitation gegen die Regierung und die Abgeordneten, die dem Gesetz zugestimmt hatten59). Als jedoch das Bozener Kreisgericht die Beschlagnahmung bestätigte, war die Sache für den Ministerpräsi- deten erledigt60). Zusammen mit einzelnen wenigen konservativen Abgeordneten hatte die gesamte Vereinigte Linke gegen das Gesetz gestimmt, und so standen die Liberalen als Volksfreunde da, während die Konservativen nun in einer Art doppelbödiger Politik versuchten, ihre Anhänger zu Protesten ge­gen das Gesetz, für welches sie selbst gestimmt hatten, zu animieren. Dieses Verhalten mußte den Konservativen großen Schaden zufügen, denn das Volk brachte naturgemäß wenig Verständnis für eine ideolo­gisch bedingte Politik auf, die die Regierung unter allen Umständen unterstützen wollte, auch wenn diese gegen die sozialen Interessen der Bevölkerung arbeitete. In der nächsten Wirtschaftsfrage, die Tirol betraf und im Reichsrat ver­handelt wurde, wiederholte sich dasselbe Spiel. Die Liberalen setzten sich mit den Konservativen für die Erhöhung des Zollschutzes zugunsten der Tiroler Marmorindustrie ein, was im Reichsrat mit der Unterstützung der Liberalen auch akzeptiert wurde. Als jedoch der Liberale Hell wich einen Antrag auf zollfreie Getreideausfuhr stellte, sprach sich der Kon­servative Greuter dagegen aus, weil er „es nicht übers Herz bringen könne, sich in der gegenwärtigen Situation an die Linke anzuschlie­ßen“ 61). Sicherlich war auch diese Aktion der sonst so zentralistisch gesinnten Liberalen, die sich nun vehement für Sonderregelungen für Tirol ein­setzten, auf die Sprengung des „Eisernen Ringes“ ausgerichtet. Dieser Ge­fahr mußte die Konservative Partei entgegentreten, jedoch war das Verhal­ten Greuters nicht dazu angetan, den Konservativen, die sich in einem ech­ten politischen Dilemma befanden, im Volk Freunde zu gewinnen. Unter­stützten sie die wirtschaftlichen Forderungen der Liberalen, bereiteten sie dem Ministerium Taaffe damit große Schwierigkeiten, die leicht zum Scheitern der Regierung führen konnten; wandten sie sich gegen die Aktionen der Liberalen, so verloren sie allmählich ihren Rückhalt beim Volk. Besonders geschickt operierten die Liberalen auch mit den nationa­len Gefühlen der Bevölkerung, indem sie zum Zusammenschluß aller 57) TLA Statth. Präs. 2263: Bezirkshauptmann Ströbele an Statthalter, 1882 Juni 11. ss) Ebenda. s») TLA Statth. Präs. 3078: Abschrift Tel. Zallinger an Taaffe, 1882 Juni 7. Ebenda ad 3078: Abschrift Tel. Widmann an Taaffe, 1882 Juni 10. 61) St. Prot. IX/231 von 1882 Mai 6, S. 8108; vgl. Ott Geschichte Tirols 1 143 f. Mitteilungen, Band 29 18

Next

/
Thumbnails
Contents