Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe
Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 267 der sich mit aller Kraft seiner Redekunst gegen die Aufhebung der Wuchergesetze aussprach29). Tirol stand jedoch ein viel entscheidenderes Wirtschaftsgesetz bevor: das neue Grund- und Gebäudesteuergesetz, das nicht nur den Reichsrat, sondern die gesamte österreichische Öffentlichkeit in seinen Bann zog. Wie jede Steuerreform sollte auch diese neue Belastungen für die Bevölkerung bringen, um das angewachsene Defizit zu decken, das die liberale Regierung hinterlassen hatte. Es war klar, daß die Konservativen gegen eine Erhöhung der Steuern nichts ausrich- ten konnten, wenn doch der Kaiser selbst in seiner Thronrede sie vom Reichsrat und seiner Regierung verlangt hatte30). Wie aber sollten die Konservativen zu einem Erfolg kommen, den sie im Kampf gegen ihre liberalen Gegner so dringend brauchten, ohne sich gegen die Regierung zu stellen? Man konnte nur versuchen, eine Milderung der Auswirkungen der neuen Gesetze auf Tirol zu erwirken. Dies war der einzig gangbare Weg, den die Tiroler Partei auch einschlug und worin sie von den Liberalen, die eine neue Gebäudesteuer und die beabsichtigte Grundsteuerregulierung ebenfalls ablehnten, teilweise unterstützt wurde. Bereits am 21. Dezember 1880 sandte der Tiroler Landesausschuß eine Protestnote an das Gesamtministerium 31). Auch Statthalter Widmann setzte sich für möglichste Schonung des Landes ein und verlangte von der Regierung vor allem eine gleichmäßige Aufteilung der neuen Lasten auf die beiden Tiroler Landesteile 32 33). Die Partei mobilisierte in Bauernversammlungen das Volk, um durch diese Aktionen Druck auf die Regierung auszuüben. Daß Taaffe diese Versammlungen nicht geringschätzte, zeigt deutlich, daß er den Statthalter nach der größten, die der konservative Abgeordnete Dr. Graf in Toblach am 5. Jänner 1881 einberufen hatte, sofort aufforderte, Bericht zu erstatten 83). Graf hatte diese Zusammenkunft ganz geheim arrangiert, indem die Pfarrer ihre Bauern persönlich verständigten. Es wurde eine Petition beschlossen, in der Dr. Graf gebeten wurde, dem Ministerium nahe zu legen, daß die neue Grundsteuer nicht in ihrer vollen Schärfe auf Tirol angewendet werde 34). Dies war die größte, jedoch bei weitem nicht die einzige Bauernversammlung, die wegen der Steuerfrage abgehalten wurde. Man scheute auch den Weg zum Kaiser nicht: Am 6. Februar beschloß der Zentralausschuß der nordtirolischen Landwirtschaftsgesellschaft, ihren Präsidenten Graf Arthur Wolkenstein und den liberalen Bürgermeister von Innsbruck, Dr. Heinrich Falk, zum Kaiser zu entsenden, um die 2») St. Prot. IX/104 von 1881 Jänner 18, S. 3662. 3°) D i P a u 1 i Anton Di Pauli 555 ff. 31) TLA Statth. Präs. 64/31: Statthalter an Ministerpräsidenten, 1881 Jänner 5. 32) Ebenda. 33) Ebenda 152/31: Taaffe an Statthalter, 1881 Jänner 12. 34) Ebenda 218/31: Bezirkshauptmann von Brixen an Statthalter, 1881 Jänner 16.