Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

266 Richard Schober den allmählichen Niedergang der Liberalen verfolgt, die glänzenden Wah­len zum Reichsrat gefeiert, die noch durch eine Niederlage der Liberalen bei den Innsbrucker Gemeinderatswahlen ausgebaut werden konnten26). Von Taffe hatte man sich den Beginn einer katholischen Ära verspro­chen. Doch in Wien ging im konservativen Sinne nichts weiter. Die Reichsratsabgeordneten, die die gesamte Politik in Wien überschauten, kannten die tatsächlichen Machtverhältnisse (die Rechte hatte keine Zwei­drittelmehrheit zur Abänderung von Verfassungsgesetzen) und mußten in ganz anderen Kategorien denken, als die Politiker des Landes und der Gemeinden in der Heimat. Von Tirol sah manches leichter aus, als es in Wien war. So bahnte sich langsam eine Kluft zwischen Reichsrats­und Landtagsabgeordneten an, die während der langen Dauer des Mi­nisteriums immer tiefer wurde. Außerdem begann innerhalb der Kon­servativen Partei eine radikalere Strömung von jungen Politikern zu wirken, die der Partei Verrat an den konservativen Grundsätzen und Liebedienerei der Regierung gegenüber vorwarf. Das erste Anzeichen einer drohenden Spaltung in der Partei war die Kandidatur Franz von Zallingers gegen den alten Führer Ignaz Giovanelli im Jahre 1879 gewesen. Den Autonomisten, deren hauptsächlicher Re­präsentant Giovanelli war, stellte sich unter der Leitung von Josef Di Pauli eine Gruppe entgegen, die das Heil Österreichs und der Partei in einem zentralistischen Aufbau Cisleithaniens sah27). Wie groß der Einfluß der neuen Richtung bei ihrem ersten Auftreten bereits war, kann daraus ermessen werden, daß es Giovanelli nicht ge­lang, sich gegenüber Zallinger in den Landgemeinden des Burggrafenam­tes zu behaupten, obwohl er diesen Wahlkreis jahrelang vertreten hatte. Die Wahlmänner sprachen sich gegen ihn aus, und er mußte in den unter- inntalischen Wahlbezirk flüchten, wo er auch mit 144 gegen 26 Stimmen gewählt wurde. Die Partei übersah dieses Anzeichen einer beginnenden Sezession. Sie glaubte, persönliche Gründe allein wären für das Auf­treten eines Konservativen gegen seinen Parteigenossen maßgeblich ge­wesen, — eine grobe Fehleinschätzung, die sich später bitter rächen sollte 28). Wie schon erwähnt, hielten sich die Konservativen im Jahre 1880 in der Glaubens- und Religionsfrage resp. Schulfrage sehr zurück. Das erste Jahr des Ministeriums Taaffe hatte sie in konfessioneller Hinsicht nicht weiter gebracht, wie dies die einsichtigen, gemäßigten Konservativen auch erwartet hatten. Umsomehr mußte die Partei bestrebt sein, durch wirtschaftliche Zugeständnisse von Seiten der Regierung die Wähler zu befriedigen. Das erste Anzeichen einer solchen Aktion war die hervor­ragende Rede des alten großen Mannes der Partei, Monsignore Greuter, 26) Ott Geschichte Tirols 1 119. 27) D i P a u 1 i Anton Di Pauli 554. 28) TLA Statth. Präs. 1611 ad 3/III: Statthalter an MCU, 1879 Juli 6.

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