Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe
Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe 261 Eindeutig geht daraus hervor, daß Taaffe einen anderen Begriff von „konservativ“ hatte als die Konservativen selbst, vor allem die deutschen der Alpenländer. Der Ministerpräsident verstand unter konservativer Politik das Festhalten an der vom Liberalismus und seiner zentralistisch orientierten Politik geschaffenen Verfassung, während die Konservativen gerade die Föderalisierung der Verfassung als ihr Ziel ansahen. Ebenso deutlich zeigt sich, daß Taaffe nicht gewillt war, eine klerikale Politik zu betreiben, was jedoch ein zentrales Anliegen der deutschen Konservativen war. Aus diesem Widerspruch mußten sich Schwierigkeiten ergeben. Zunächst war die von Taaffe in das Ministerium hereingenommene Rechte in ihrer Unterstützung der Regierung gegenüber einig. Die Tiroler Konservativen verhielten sich der neuen Regierung gegenüber äußerst loyal. Sie glaubten dem Ministerium über die Anfangsschwierigkeiten hinweg helfen zu müssen und stellten zunächst keinerlei Forderungen. Im Tiroler Landtag gab es im Jahre 1880 nicht einmal eine Debatte um ein Tiroler Schulgesetz, dessen Zustandekommen auch Taaffe in seiner Zeit als Statthalter in Tirol nicht hatte erreichen können 5). Man verhielt sich abwartend. Die Partei war auch in einer personellen Umgruppierung begriffen, denn alte Kämpfer für die Landesrechte und den Klerikalismus, der Fürstbischof Vinzenz Gasser und Paul Freiherr von Giovanelli, der langjährige Obmann der Konservativen im Klub, waren gestorben. Für die Partei brach eine neue Zeit an. Sie war durch die Bildung des Ministeriums Taaffe im Reichsrat von einer Oppositions- zu einer Regierungspartei geworden. So kam auch eine Nichtbeschickung des Reichsrates nicht mehr in Frage. Man glaubte gute Hoffnung zu haben, nun auch bei der Ohnmacht der Landtage mit Hilfe der neuen Regierung seine politischen Vorstellungen zu verwirklichen. Die Partei vertraute darauf, daß die Regierung ihr in konfessionellen Dingen entgegenkommen werde. Darin erblickte sie das vorrangige Ziel, welches sie für wichtiger als die Erreichung einer größeren Landesautonomie hielt; diese hatten die Tiroler Konservativen in der liberalen Ära nur angestrebt, um uneingeschränkt und unabhängig von einer liberalen Reichsregierung in Tirol konservative Politik betreiben zu können. Die Aussichten standen jedoch durchaus schlecht. Nicht nur, daß der neue Ministerpräsident, wie schon erwähnt, nicht gewillt war, eine eindeutig klerikale Politik zu betreiben, und der Kaiser die Ausschließung der Liberalen nicht befürwortete — er hatte ja den Auftrag zur Bildung einer Koalitionsregierung erteilt —, auch die ganze personelle Struktur der Verwaltung des Staates stand einer solchen Politik entgegen. Das Beamtentum war großteils liberal und die Vereinigte Linke noch immer die stärkste Fraktion im Parlament6). 5) O 11 Geschichte Tirols 1 117; Anton Bundsmann Die Landeschefs von Tirol und Vorarlberg in der Zeit von 1815—1913 (Schlernschriften 117 [Innsbruck 1954]) 112 ff. e) Hantsch Geschichte Österreichs 2 430.