Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

SCHOBER, Richard: Die Tiroler Konservativen in der Ära Taaffe

260 Richard Schober Besonders in Tirol gestalteten sich die Wahlen zu einem durchschlagenden Erfolg der Konservativen. Die Partei triumphierte vor allem in der Kurie der Landgemeinden, in der es Wahlkreise gab, in denen keine einzige liberale Gegenstimme gegen den konservativen Kandidaten abgegeben wurde (so z. B. im Wahlkreis Bruneck, Brixen, Lienz und Ampezzo, wo Dr. Graf gewählt wurde). Aber auch in der Städtekurie, der Domäne der Liberalen, hatte sich die konservative Partei gut gehalten, ja sogar einen beträchtlichen Stimmenzuwachs zu verzeichnen. Selbst im adeligen Groß­grundbesitz, in dem die Konservativen nie etwas zu reden hatten, ließ sich ein kleiner Erfolg erreichen, wenn er sich auch nicht in Mandaten ausdrückte2). Der Druck durch das Wahlergebnis begünstigte die Ver­handlungen Taaffes mit den böhmischen verfassungstreuen Großgrundbe­sitzern, mit denen er am 16. September 1879 einen Kompromiß schloß: Die liberalen Grundbesitzer verpflichteten sich, dem konservativen böhmi­schen Hochadel einige Mandate zuzugestehen. Weiters wurde den Böhmen ihr Recht auf staatsrechtliche Verwahrung beim Eintritt in den Reichs­rat zugestanden. Damit wurde den Tschechen der Einzug in den Reichsrat, den sie 1863 verlassen hatten, ermöglicht. Der „Eiserne Ring“, den die Polen, Tschechen und Deutschkonservativen bildeten 3), war geschlossen. Taaffe bekam vom Kaiser den Auftrag, ein Koalitionsministerium zu bil­den, denn Franz Joseph hatte nicht die Absicht, die Liberalen vollkommen von der Regierung auszuschalten. Die Ansichten des neuen Ministerpräsi­denten über die Bildung der Regierung, die er in einer Denkschrift fest­legte, waren gleichsam sein politisches Programm, an dem er bis zu sei­nem Sturz 1893 festhielt: „Das Ministerium hat zu bestehen aus Männern, die keiner extremen politischen Richtung angehören, damit durch deren Ernennung nicht einerseits der Ver­fassungspartei (Liberale) begründete Bedenken eingeflößt, andererseits der all­fällige Eintritt der Tschechen in den gewählten Reichsrat nicht unmöglich ge­macht werde. Bei der Zusammensetzung ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß sowohl Kräfte für die administrative als parlamentarische Tätigkeit vertreten sind. Das Ministerium muß sich darstellen als ein echt österreichisches, darf daher in keiner Weise einen nationalen Stempel haben, als ein konservatives, indem es an den gesetzlich gegebenen Grundlagen festhält (Verfassung und Dualis­mus), somit weder den Verfassungstreuen noch Ungarn zu Besorgnissen Anlaß geben kann. Ferner hätte es durch seine Haltung bei der konservativen Par­tei Vertrauen zu erwecken, als ein verfassungstreues, denn es stellt sich zur Aufgabe, durch ein allseitig beschicktes Parlament die Verfassung zur Wahr­heit zu machen ... Aufgabe des Ministeriums ist es, die Wahlen so zu leiten, daß eine Majorität der Gemäßigkeiten (Konservativen aber nicht Rechts- oder Nationalpartei) entsteht, auf welche sich das Ministerium stützt, ohne ein Parteiministerium im eigentlichen Sinne zu sein ...“ 4). 2) 011 Geschichte Tirols 1 116. s) Ebenda. 4) Arthur Skedl Der politische Nachlaß des Grafen Eduard Taaffe (Wien— Berlin—Leipzig—München 1922) 249: Denkschrift o. D. (Anfang August 1879).

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