Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)
LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich
2 Ernst Laubach und Ferdinand immer wieder beschäftigt und bis zu Plänen zur Programmierung der nächsten Generation geführt. Motivation und Stellenwert der Nachfolgeregelung in der Politik Karls V. sind des öfteren erörtert und daraus auch mancherlei Erkenntnisse für seine Kaiseridee gewonnen worden 8). Die entsprechende Frage nach ihrer Bedeutung für die Politik Ferdinands, dem Karl ja eine Schlüsselposition eingeräumt hatte und der darum bei allen Überlegungen und Entschlüssen sein wichtiger Partner war, nach seinen Auffassungen und Absichten ist — soweit ich sehe — noch nicht eingehend behandelt worden. Im folgenden sollen die wichtigsten Glieder in der Kette von Erörterungen und Verhandlungen zwischen den beiden Brüdern über das Nachfolgeproblem untersucht werden; dabei soll nach den Argumenten und Gegenargumenten gefragt werden, die in ihren Diskussionen eine Rolle spielten. Weniger für Karl, wohl aber für Ferdinand erhoffen wir uns aus dieser Entstehungsgeschichte auch einige Aufschlüsse darüber, welche Auffassung er von den Ämtern hatte, die er übernehmen sollte und wollte: von der deutschen Königswürde und vom Kaisertum* 4). I Der Gedanke an eine habsburgische Bruderfolge im Reich taucht schon im Jahre 1519 auf, ehe noch Karl V. die deutsche Königswürde erlangt hatte. Man wüßte gern, ob der Sekretär Marnix nur eine Idee hinwarf oder ob er auf eine in habsburgischen Hofkreisen weiter verbreitete konkrete Vorstellung anspielte, als er der Erzherzogin Margarete, der Tante Karls und Ferdinands, brieflich empfahl, die beim Warten auf den habsburgischen Bräutigam ungeduldig gewordene ungarische Prinzessin Anna mit dem Hinweis zu begütigen, welchen der Brüder sie auch schließlich bekäme, entweder werde er der Kaiser oder der Römische König sein5). Etwas weiter ausgeführt findet man den Gedanken dann in einem im Namen Karls abgefaßten Schriftstück, das in den Zusammenhang des Wahlkampfes von 1519 gehört, und hier hat er bereits die Funktion, das Reich langfristig dem Hause Österreich zu sichern. Karl behauptet nämAufsätze und Vorträge 1 (München 1970) 344 ff eine mögliche Bedeutung im 16. Jahrhundert ist. s) Dazu vor allem die verschiedenen noch zu nennenden Arbeiten von Peter R a s s o w zur Geschichte Karls V. 4) Der Verfasser dieser Studie arbeitet an einer Untersuchung der Politik Ferdinands als Kaiser, in deren Rahmen eine eingehende Behandlung der Kaiservorstellung Ferdinands I. vorgesehen ist. 6) Mo ne Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit 5 (1836) Sp. 131 f: Marnix an Erzherzogin Margarete, Augsburg 1519 März 16: ...... et comment e ile ne peut faillir á avoir l’ung ou l’aultre írére, que seroit l’ung empereur et l’aultre roy des Romains.“ Vgl. Wilhelm Bauer Die Anfänge Ferdinands 1. (Wien—Leipzig 1907) 86 f.