Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 29. (1976)

LAUBACH, Ernst: Karl V., Ferdinand I. und die Nachfolge im Reich

KARL V., FERDINAND I. UND DIE NACHFOLGE IM REICH Von Ernst Laubach In der Tradition des Heiligen Römischen Reiches war es ein beispielloser Vorgang, als am 14. März 1558 in feierlichem Staatsakt im Dom zu Frank­furt am Main die Abdankung Kaiser Karls V. zugunsten seines Bruders, des Römischen Königs Ferdinand, verkündet und danach auf Anordnung der Kurfürsten Ferdinand zum „erwählten römischen Kaiser“ proklamiert wurde 1). Einmalig war der freiwillige Kronverzicht des Kaisers. Unge­wöhnlich war, daß nicht sein im besten Mannesalter stehender einziger Sohn, Prinz Philipp von Spanien, der Erbe seiner sonstigen Reiche und Länder, die Nachfolge antrat, sondern der nur drei Jahre jüngere Bruder des Resignierenden. Die Aufeinanderfolge der beiden habsburgischen Brüder Karl und Ferdi­nand in der deutschen Königs- und Kaiserwürde ist freilich weder die einzige noch die erste Bruderfolge in der Geschichte des Reiches. Sie unterscheidet sich von allen anderen, weil sie nicht durch schicksalhafte Umstände eingetreten, sondern schon relativ früh geplant und nach eini­gen Regierungsjahren des älteren Bruders auch reichsrechtlich festgelegt worden ist, womit der Regelfall in der Nachfolge, nämlich diejenige des Sohnes des Herrschers, blockiert wurde. Wandlungen der politischen Ver­hältnisse oder veränderte Beurteilung der Situation haben die mit der Anfang 1531 herbeigeführten Wahl Ferdinands zum Römischen König ge­troffene Regelung allenfalls zeitweilig in Frage stellen können. Mit dem Frankfurter Staatsakt wurde sie schließlich besiegelt, mit ihr zugleich aber auch die für die weitere Entwicklung Europas so folgenreiche Tei­lung des habsburgischen Machtpotentials, wie es Karl V. zu Gebote ge­standen hatte und von ihm zur Stärkung der Position des noch universal verstandenen Kaisertums eingesetzt worden war, in zwei auseinander­strebende Hälften: Reich und Kaisertum blieben bei der habsburgischen Dynastie, doch dem neuen Kaiser Ferdinand I. standen die bedeutenden Reserven der spanischen Königreiche nicht mehr zur Verfügung. Das Problem, wie die Nachfolge im Reich langfristig für ihr Haus Öster­reich („notre maison d’Autriche“)2) gesichert werden könnte, hat Karl !) Schilderung bei Leopold von Ranke Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation 5 (Akademie-Ausgabe von Paul Joachimsen, München 1925) 301. 2) „Haus Österreich“ wird hier im Sinne von „Dynastie“ verwendet, was nach Alphons L h o t s k y Was heißt „Haus Österreich“? in Alphons L h o t s k y Mitteilungen, Band 29 i

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