Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MECHTLER, Paul: Die Anfänge der Phototechnik im österreichischen Archivwesen

30 Paul Mechtler herangezogen, und in einzelnen Pfarren nahm man ganze Matriken auf38). Selbstverständlich konnten solche Sicherungsmaßnahmen wegen des erfor­derlichen hohen Personal- und Sachaufwandes nur in einem verhältnismäßig bescheidenen Umfang durchgeführt werden. Aus naheliegenden Gründen sind allerdings Unternehmen besonders gefördert worden, die Aufnahmen in Archiven der von Deutschland besetzten Länder vorsahen, wobei die Gren­zen zwischen wissenschaftlicher Forschung und rein politischen Zielsetzun­gen fließend waren; so wurden allein in Frankreich 13 Archivare und zwei Berufsphotographen mit dieser Tätigkeit betraut39). Diese drei Komponenten - Ahnenforschung, Sicherheitsmaßnahmen und Auswertung von Fremdakten - waren nun auch für den weiteren Ausbau der „Bildstellen“ in den Wiener Archiven maßgebend. Ein Erlaß des Reichsmini­sters des Inneren aus dem Jahre 1942 bestimmte, daß von den wertvollsten Stücken der Archive, so vor allem von Plänen und technischen Elaboraten, Photokopien oder Schmalfilmaufnahmen anzufertigen und getrennt von den Originalen zu verwahren seien. Die Verwendung von Photokopien sollte auch die Entlehnung von Geschäftsstücken an fremde Dienststellen ersetzen40). Durch ein Reichsgesetz vom 21. Oktober 1942 war auch die Möglichkeit ge­geben, unter gewissen Bedingungen Photokopien zu beglaubigen. Aus diesen Gründen wurde im heutigen Verwaltungsarchiv ein Photokopiergroßgerät „Clark“ von der Firma Friedrich Grün (Bonn) aufgestellt. Dieser Apparat konnte Vorlagen bis zu einer Größe von 50:70 cm ablichten und wurde mit Papierrollen von 50 m Länge gespeist. Es war sowohl eine Vergrößerungs- als auch eine Verkleinerungsmöglichkeit gegeben; außerdem konnte mit Hilfe eines einfachen Zusatzgerätes eine Kleinbildkamera eingebaut werden41). Nachdem das Reichsarchiv Wien im Zuge der völligen Auflösung der ehema­ligen österreichischen Ministerien am 1. Februar 1940 gebildet worden war, wurde von der Direktion auch eine neue Lichtbildstelle im Gebäude Bank­gasse 8 eingerichtet, deren technische Ausstattung aktenmäßig nicht mehr feststellbar ist. Die Leitung hatte Regierungsinspektor Josef Karg inne, und mit seiner Gattin Maria war ein Werkvertrag mit stundenweiser Entlohnung abgeschlossen worden42). Die Tätigkeit dieser zentralen Bildstelle dürfte vorwiegend in photographischen Aufnahmen von Akten der Feindstaaten be­standen haben; wegen der Arbeitsüberlastung wurden Aufträge von privaten Parteien an Firmen übergeben. Die Kriegswichtigkeit einer solchen Tätigkeit im Archivwesen wurde allerdings in manchen Kreisen der NSDAP bezwei­felt; auch wurde ein vom Reichsarchiv Wien gestellter Antrag auf Enthebung 38) Archivalische Zeitschrift 47 (1951) 212. 39) Reichsarchiv Wien Direktion 3311/1944 (im Bestand der Akten der Generaldi­rektion des Österreichischen Staatsarchivs, Wien). 40) AVA 3183/1942; Reichsinnenministerium VIc 6267/6080 42. 41) AVA 2113/1942. 42) AVA 3759/1942 und General direktion des österreichischen Staatsarchivs (= ÖStA) 402/1948.

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