Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger
MECHTLER, Paul: Die Anfänge der Phototechnik im österreichischen Archivwesen
Anfänge der Phototechnik 29 In der technischen Entwicklung suchte man neue Wege bei der Konstruktion von automatisch arbeitenden Filmaufnahmegeräten (die händische Auslösung des Verschlusses und die Auswechslung der Kassetten erwiesen sich bei Serienaufnahmen als zu zeitraubend) und von besonderen Lesegeräten, deren Verwendbarkeit für den Archivdienst lange Zeit nicht den gestellten Anforderungen entsprechen konnte. Nach den politischen Veränderungen des Jahres 1938 wurde aus recht verschiedenen Beweggründen auf die Beschaffung von Aufnahmegeräten in den Wiener Archiven besonderer Wert gelegt. Zunächst erfolgte die Errichtung einer „Bildstelle“ beim Kriegsarchiv (Heeresarchiv) B; bereits am 22. April 1938 stellte der Direktor, Generalstaatsarchivar Rudolf Kiszling, an seine Vorgesetzte Dienststelle, den Chef der Heeresarchive in Potsdam, einen diesbezüglichen Antrag, in dem er „wegen der infolge der Sippenforschung und der vielen Dienstzeitbestätigungen immer häufiger eintretenden Notwendigkeit, Aktenabschriften herzustellen, . . . um baldige Zuweisung der in Aussicht gestellten Photogeräte“ bat35). Bereits fünf Tage später ist eine entsprechende Verfügung erlassen worden; es wurden Bedienstete zur Einschulung abkommandiert, verschiedene Geräte von einem aufgelösten Kommando der Höheren Offizierskurse angefordert sowie eine im Hause bereits vorhandene Dunkelkammer entsprechend eingerichtet. Am 1. Oktober 1943 waren im Heeresarchiv Wien folgende Photogeräte vorhanden: 1 Leica-Modell III, 1 Plattenkamera mit einem Aufnahmeformat 40:40 cm, 1 Leitz Reproduktionsapparat, 2 Photokopiermaschinen System „Kranich“ mit elektrischen Schaltuhren für Aufnahmen 100:120 cm, beziehungsweise 40:50 cm, 1 Projektionsapparat „Filmosto“ mit verschiedenen Zusatzgeräten, 1 Vergrößerungsapparat „Faltus“ und eine Hochglanzpresse36). Im Jahre 1939 erfolgte im Hofkammerarchiv die Aufstellung eines Lumo- printgerätes von der Firma Vereinigte Photokopierapparate Berlin - Hamburg mit einem Belichtungsmesser (Anschaffungspreis 285,-RM)37). In der Begründung des Antrages der Archivleitung für die Anschaffung hieß es, daß die Kanzlei durch Urkunden- und Aktenabschriften überlastet sei und daß eine Anfertigung von Photokopien für Parteien nur außer Haus möglich sei, wodurch viele Arbeitsstunden verloren gingen. Infolge der politisch bedingten Ahnenforschung war ja den Archiven ein zusätzlicher Aufgabenkreis erwachsen. Zum Unterschied von der Stagnation in der Verwendung von Photogeräten im Archivdienst während des Ersten Weltkriegs wirkte der Kriegsausbruch im Jahre 1939 zunächst akzelerierend in manchen Beziehungen. Als Schutzmaßnahme wurde in einigen Archiven an der Westgrenze des Deutschen Reiches bereits das Kleinbildverfahren zur Verfilmung von Nachschlagebehelfen 35) Kriegsarchiv Wien Direktionsakten 1977/1938. 36) Ebenda 9905/1943. 37) Hofkammerarchiv Archivverhandlungen 726/1939.