Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

NECK, Rudolf: Oswald Redlich und das österreichische Archivwesen

Redlich und das österreichische Archivwesen 383 erarbeitet, die bis in unsere Tage in Geltung blieb. Auch wurden grundsätzli­che Beschlüsse über Anlage von Inventaren, Generalkatalogen u. ä. gefaßt. Darüber hinaus wurde allerdings wenig erreicht. Es war dabei auf Seiten der Reformer richtig, immer wieder den Gedanken der Neuorganisation des Archivwesens mit der Verwaltungsvereinfachung eng zu verknüpfen. Redlich wollte die Stellung des Archivrats mindestens im Prinzip erhalten, zu viele Fortschritte in den letzten Jahren waren mit die­sem Organ verknüpft. In einer umfassenden Denkschrift wird auf die Vor­teile gremialer Institutionen gerade auf dem Gebiet des Archivwesens hinge­wiesen12). Gleichzeitig nahm der Plan Gestalt an, an die Spitze des Archiv­wesens in Österreich einen Generaldirektor zu stellen, wobei offen blieb, welches Organ dem Generaldirektor für seine Spitzenfunktion zur Seite ste­hen sollte. Immerhin war bereits ein Kompetenzkatalog ausgearbeitet wor­den13). Danach kamen ihm zu: 1. Sachliche Agenden, und zwar solche archivtechnischer Art (Archivalienausschei­dung, Archivalientausch, Einziehung von Archiven und Übergabe von Registraturak­ten, Kauf von Archivalien, Archivneubauten, Zuweisung und Verrechnung der Dota­tion) und wissenschaftlicher Natur (allgemeine Regelung der wissenschaftlichen Be­nützung, innere Ordnungsarbeiten, Publikationstätigkeit). 2. Personelle Agenden unter der Oberaufsicht der dem Generaldirektor noch vorzuset­zenden Dienstbehörde und unter der Aufsicht der Vorgesetzten Dienstbehörde des je­weiligen Archivs. Dies sollte alle Neuaufnahmen, Beförderungen und Versetzungen be­treffen. Für die Besetzung leitender Stellen waren besondere Vorschriften vorgesehen. 3. Archivschutz, für den eine gesetzliche Regelung in Aussicht genommen war. In einer Denkschrift der Gewerkschaft der wissenschaftlichen Beamten in Österreich vom 5. Dezember 191914 15) wurde der Ruf nach einer zentralen per­sönlichen Spitze mit einem Generaldirektor unterstützt. Bemerkenswert ist dabei auch die Forderung der Einbeziehung der Landesarchive in die zu schaffende neue Organisation. Als Voraussetzung für den akademischen Dienst im Archiv wurde zwingend die Absolvierung des Instituts für öster­reichische Geschichtsforschung gefordert. Gerade hier zeigt sich wieder der Einfluß der Vorstellungen Oswald Redlichs. Über alle bisher behandelten Projekte, Versuche und Forderungen hinaus geht jedoch der Entwurf eines Archivgesetzesls). Hier haben die Reformer des österreichischen Archivwesens ihre Ziele am weitesten vorangetrieben. 12) Zur künftigen Stellung des Archivrats (Denkschrift o. D.): HHStA Nachlaß Red­lich 2. 13) Wirkungskreis des Generaldirektors der Österreichischen Staatsarchive (o. D.): ebenda. 14) ZI. 42/32: Denkschrift der wissenschaftlichen Beamten in Österreich in Sachen der Neuordnung des Archivwesens an den Herrn Staatssekretär Dr. Michael Mayr mit zwei Beilagen über den Personalstand und Vorschlägen zur Neuorganisation der staat­lichen Archive Österreichs (HHStA Nachlaß Redlich 2). 15) Siehe Anhang.

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