Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

NECK, Rudolf: Oswald Redlich und das österreichische Archivwesen

380 Rudolf Neck Neuerungen nicht zu vermeiden waren und legte auch programmatische Richtlinien und Pläne vor. Tatsache war, daß der Ausbau und die Neuorganisation des österreichischen Archivwesens in den folgenden Jahren weitgesteckte Ziele verfolgten und Dimensionen annahmen und Erfolge erzielten, wie vor- und nachher nimmer­mehr. Dies war hauptsächlich das Werk Oswald Redlichs. Nach dem Tode Helferts (1910) hatte Redlich im Zuge der Neuorganisierung der Zentral­kommission ein Promemoria unterbreitet, das in wesentlichem darauf hin­zielte, die Funktionen des Archivrats mit denen der Archivsektion zu verei­nigen. Am 25. Mai 1912 erfolgte die kaiserliche Entschließung, die der Neuordnung im Sinne Redlichs freie Bahn gab. Der Archivrat sollte wie bis­her die Regierung in Archivfragen der Zentralstellen beraten und fachmän­nisch unterstützen. Neu war jedoch, daß sich diese Aufgabe auch auf nicht­staatliche Behörden und Anstalten, ja vor allen auch auf Private erstreckte. Organisation und Schriftdenkmalschutz gehörten daher von Anfang an zu den Agenden des neuen Archivrats6). Zu ihrer Bewältigung standen neben dem hauptamtlichen Apparat auch ehrenamtliche Mitarbeiter zur Verfügung. Eine eigene Geschäftsstelle (Bureau) wurde errichtet mit zwei Archivaren als Mitarbeitern. Besondere Exekutivgewalt besaß auch der neue Archivrat nur in Fragen des Schriftdenkmalschutzes7). Vorsitzende des Archivrats waren die jeweiligen, damals oft wechselnden österreichischen Minister des Innern. Praktisch stand daher an der Spitze des österreichischen Archivwesens Redlich als ständiger stellvertretender Ob­mann des Plenums und als Obmann des Geschäftsausschusses. Das neue Or­gan nahm sofort und mit Elan die Tätigkeit auf und legte in kurzer Zeit eine Reihe von Inventaren verschiedener Archive vor. Über die internen Vorgänge sind wir allerdings nur lückenhaft informiert, da wichtige Unterlagen 1927 beim Brand des Wiener Justizpalastes zugrunde gegangen sind. Glücklicher­weise hat Oswald Redlich 1938 seine auf das Archivwesen bezüglichen Amts­schriften und Korrespondenzen aus den Jahren 1893 bis 1922 dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv übergeben8). Sie enthalten gerade für die Jahre 1912-1920 viel Material. Namentlich die Korrespondenz mit dem Lei­ter des Bureaus des Archivrats, Franz Wilhelm, ist sehr aufschlußreich. Wil­helm wurde 1870 in Glaseidorf in Mähren geboren9). Er besuchte die Wiener Universität und absolvierte den 21. Kurs des Instituts für österreichische Ge­6) Vgl. Mitteilungen des k. k. Archivrates 1 (1914) Iff mit allen Statuten, Instruk­tionen u. a., z. T. auch in Redlich Gesammelte Schriften 291 ff. *) Vgl. Goldinger Geschichte 42. 8) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (= HHStA) Kurrentakten ZI. 4015/38; Nach­laß Oswald Redlich: 12 Konvolute in 3 Kartons. Siehe Aß XIX/52 (alt 39/29). 9) Über Wilhelm vgl. Otto Stolz Geschichte und Bestände des staatlichen Archives (jetzt Landesregierungs-Archivs) zu Innsbruck (Inventare österreichischer staatlicher Archive 6, Wien 1938) 65f; Friedrich Walter Inventar des 'Wiener Hofkammerarchivs (Inventare etc. 7, Wien 1951) XXV; Alphons Lhotsky Geschichte des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 1854-1954 (MIÖG Erg. 17, 1954) 271, 273.

Next

/
Thumbnails
Contents