Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

ZITTEL, Bernhard: Planung im Archivbereich

Planung im Archivbereich 17 Ein zweites Beispiel: ,,Das Staatsarchiv ist zum Überlaufen voll. Nicht einmal 20 Jahre lang haben die bei­den 1955 gebauten riesigen Speicher des Niedersächsischen Staatsarchivs Wolfenbüttel ausgereicht, all das an wertvollen Urkunden aufzunehmen, was aus der Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft aufbewahrt werden muß. Akute Raumnot zwingt die Archivverwaltung des Landes Niedersachsen dazu, den von Anfang an geplant gewe­senen Bau eines dritten Speichers jetzt verwirklichen zu lassen“20). Die Bilanz: Der Zuwachs an archivwürdigem Schriftgut verdoppelt sich in immer kürzerer Zeit. In Ost und West, bei allen regionalen und internationa­len Tagungen wollen die Klagen über die Aktenflut und die Aussprachen über schärfere Aussonderungsrichtlinien und verwertbare Maßstäbe nicht abreißen. Tatsache bleibt indes: Wir müssen auch in Zukunft mit dem Ak­tenberg leben und fertig werden. Insofern geht die Empfehlung von Delmas, bei einem Archivneubau eine Stellreserve im Magazin für nur 10 Jahre vor­zusehen, völlig an der harten Wirklichkeit vorbei21). Jeder Kollege dürfte aus seinem Bereich ähnliche Beispiele von Fehlplanungen kennen. Die Planung für die Magazinreserve wird also in der Regel, wie diese weni­gen Beispiele beweisen, zu kurzfristig angelegt. Man sollte daher bei der Be­rechnung des jetzigen und künftigen Stellbedarfs im Magazin und, sinnge­mäß übertragen, in der Bibhothek und in verwandten Räumen, nicht mit halben Lösungen zufrieden sein, die auf weite Sicht gesehen, kostspieliger werden als eine großzügige Lösung. Eine halbe Lösung halten wir dann für gegeben, wenn moderne Archivneubauten in 10-15 Jahren - wir wollen da­von absehen, „einschlägige“ Archive hier zu nennen - die Grenzen der Be- legbarkeit erreicht haben und, was noch schlimmer ist, nicht mehr erweite­rungsfähig sind. Peinlich für Archivar wie Architekten aber - auch hier lie­ßen sich Beispiele der jüngsten Zeit nennen - wird die Lage dort, wo man eine an sich mögliche Erweiterung des Magazinbaues, etwa durch Aufstok- ken von zwei bis vier Geschoßen oder durch Umstellung der stationären Re­gale auf Compactus, dadurch selbst blockiert hat, daß diese Möglichkeiten bei der Berechnung der Statik nicht berücksichtigt wurden. Dabei hätte man sich ohne große Mühe und mit vertretbaren Mehrkosten, die sich im übrigen bei der heutigen Preiswelle in wenigen Jahren, wenn nicht voll amortisieren, so doch bezahlt machen, leicht eine Reserve für die Reserve schaffen können. Aus diesen belegbaren Unterlassungen ergibt sich der einzig vernünftige Schluß: Bei der Planung eines Archivneubaues, sinngemäß auch von Teilpro­jekten, ist als Zielpunkt die höchstmögliche Stellreserve anzusteuern. In die­ser Sicht wird die Berechnung des künftigen Stellbedarfs zur Schlüsselfrage. Die Stellreserve sollte aber 100 Prozent betragen, d. h. die beim Einzug in 2°) Wolfenbütteler Zeitung 1974 August 20. 2i) Alle unsere eigenen und die uns bekannten Erfahrungen anderer Archive sprechen gegen die Empfehlung von Delmas La planification 312, der in seinen „Normes pour la construction d’un dépőt d’archives nationales moyen“ schreibt: „II est recommandé de disposer de magasins susceptibles de répondre aux besoins des dix années á venir“. Mitteilungen, Band 28 2

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