Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MIKOLETZKY, Lorenz: Archivar und Universität. Am Beispiel Franz Kürschners

254 Lorenz Mikoletzky keit zu verwerthen. Sollte das hochlöbliche Professoren-Collegium sich bewogen fin­den, meinem diesbezüglichen Ansuchen zu willfahren, so würde ich auf die histori­schen Hilfswissenschaften zunächst größeres Gewicht legen und schon im nächsten Semester mit einem Collegium über Buchschriften des Mittelalters beginnen, von Zeit zu Zeit aber einzelne Partien der österreichischen Geschichte mit besonderer Rück­sicht auf die Staatsverwaltung behandeln“16). Als Habilitationsschrift legte Kürschner Die Urkunden Herzog Rudolfs IV. von Österreich. Ein Beitrag zur speziellen Diplomatik vor (gedruckt 1872 im 49. Band des AÖG, 1-88). Nach den im Jahrhundert der großen Urkunden­forschung und -edition herrschenden Regeln ging der Verfasser an die Arbeit und hat damit eine der schillerndsten Persönlichkeiten der österreichischen Geschichte im Spiegel der von seiner Kanzlei ausgestellten Diplome, Literae patentes und Literae clausae beleuchtet, wobei er zuerst die äußere Form, dann den Inhalt (in Regesten) berücksichtigte. Da bis heute keine andere Un­tersuchung über diesen Gegenstand vorliegt, ist sie noch immer von großem Wert, wenn auch manche Kriterien vielleicht veraltet sind. Sickel hat sich in einem Gutachten folgendermaßen geäußert: „Kann schon die Wahl dieses Themas als eine glückliche bezeichnet werden, so zeugt vollends die Ausführung dafür, daß Dr. K. für die der Diplomatik gestellte Aufgabe das richtige Verständnis hat und eine diplomatische Untersuchung in streng methodi­scher Weise durchzuführen versteht. Seine Untersuchung beruht auf möglichst breiter und sicherer Grundlage: er hat für sie nicht allein das schon in Publicationen vorlie­gende Material in genügendem Umfange benutzt, sondern hat auch nach Kräften den noch vorhandenen Vorrath an Originalen, welche hier in erster Linie maßgebend sind, ausgebeutet. An letzteren zumal hat er auch die kleinsten Merkmale mit Verständniß, Fleiß und Scharfblick verfolgt und hat dann dieselben in klarer und übersichtlicher Weise zusammengestellt . . . Die Abhandlung bietet somit, soweit es literarische Arbei­ten vermögen, genügende Bürgschaft für die Befähigung des Dr. K. zu der von ihm er­betenen Venia docendi“17). Von einer Probevorlesung wurde Abstand genommen, da Kürschners Lehrbe­fähigung genügend bekannt war. Am 19. März 1872 fand das Habilita­tionskolloquium statt. Unter dem Vorsitz des Dekans Carl Tomaschek tagte die Prüfungskommission: Joseph Aschbach, Albert Jäger, Ottokar Lorenz und Theodor Sickel, - mit Ausnahme von Lorenz alles ehemalige Lehrer des Prüflings. Aschbach befragte ihn über die Gründe, die auch die Ortsangaben bei Kaiserurkunden als Beweis der Echtheit derselben erscheinen lassen, fer­ner was unter kurfürstlichen Willebriefen zu verstehen ist und „Wie lesen sie ,qm‘ mit einem Strich darüber?“. Weiters erkundigte sich Aschbach nach dem Unterschied zwischen Freistadt und Reichsstadt und wie es möglich sei, daß der Hohenstaufenkaiser Philipp auch als Philippus II in den Urkunden 16) Universitätsarchiv Phil. Personal-Akten 333 aus 1871/72 fol. 6 f; HKA Kürschner fol. 79f. 17) Universitätsarchiv Phil. Personal-Akten 333 aus 1871/72 fol. llf; Lhotsky In­stitut 101. - Kürschner befaßte sich in einem kleinen Aufsatz Herzog Rudolfs IV. Schriftdenkmale auch mit der Zeichen- und Geheimschrift des Herzogs (Vgl. dazu Almanach 158).

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