Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

MIKOLETZKY, Lorenz: Archivar und Universität. Am Beispiel Franz Kürschners

Franz Kürschner 253 Archivs mit Beruhigung anvertraut werden könnte. Um jedoch auch die wissenschaft­liche Seite in der Verwaltung des Archivs in vollkommen genügender Weise vertreten zu sehen, wäre es sehr zweckmäßig, dem Neubauer einen tüchtig geschulten Archivs­mann als Adjunkt an die Seite zu geben. Als ein solches fachwißenschaftlich ausgebil­detes Individuum kenne er den dermaligen Gymnasialprofessor zu Troppau Dr. Franz Kürschner, welcher das Archiv in Eger in musterhafter Weise geordnet hat“ 12). Ein großes Lob aus berufener Feder! Seine Arbeit in Eger hatte er nicht unvollendet hinterlassen, sondern legte vor seinem Dienstantritt in Wien dem Stadtrat einen Bericht vor, in dem er als wichtigste Forderung die Aufrechterhaltung der von ihm durchgeführten Ordnung erwähnte, da das Archiv der Wissenschaft stets dienlich sein müsse. Aber die innere Unruhe und die Vielseitigkeit des jungen Mannes ließen ihn nicht mit dem Archivarsposten allein zufrieden sein. Im selben Jahr, als er den Wiener Posten antrat, bewarb er sich um eine an der Akademie der bil­denden Künste frei gewordene Dozentenstelle für „Welt- und Kulturge­schichte“. Am Ende seines Gesuches (vom 28. September 1869) schrieb er: „Ich glaube die angesuchte Lehrtätigkeit mit meinen dermaligen Berufspflichten recht wohl vereinigen zu können, da mir die nöthigen Mußestunden, sowie alle anderen Mit­tel zur eigenen Weiterbildung zu Gebote stehen“13). Kürschner wurde eingeladen, einen Vortrag zu halten, zog plötzlich jedoch seine Bewerbung zurück14 *). Ein Grund dafür ist nicht feststellbar. Zwei Jahre später beginnen die näheren Kontakte zur Wiener Universität. Am 8. Juli 1871 wurde er eingeladen, an den Arbeiten der Kommission für die am Institut für österreichische Geschichtsforschung abzuhaltenden Ab­schlußprüfung „sich betheiligen zu wollen“ und „zu diesem Zwecke sich mit dem Leiter derselben Professor Dr. Theodor von Sickel sich in das weitere Einvernehmen zu setzen“ ls). Wieder Kontakt mit Sickel, diesmal schon als Wissenschaftler, nicht mehr als Student. Es ist daher auch in diesem Fall, wie beim Institutsbesuch, sehr wahrscheinlich, daß Sickel es war, der ihm zur Habilitation riet. Auf jeden Fall richtete am 31. Jänner 1872 der „Archi­var im k. u. k. Reichs-Finanz-Ministerium“ ein Gesuch an das Professoren­kollegium der philosophischen Fakultät, es „wolle ihm die Venia docendi für österreichische Geschichte und historische Hilfswissenschaften“ erteilen. Seine Bewerbung schloß Kürschner mit der Feststellung: „Da meine Berufsthätigkeit, mit Rücksicht auf welche ich im vergangenen Sommer- Semester zu der Prüfungscommission bei der im Institute für österreichische Ge­schichtsforschung abgehaltenen Prüfungen zugezogen wurde, mir reichlich Gelegen­heit bietet, meine Studien in der angedeuteten Richtung fortzusetzen, so kann es mir nur wünschenswerth erscheinen, die Resultate derselben in akademischer Lehrthätig­12) FA RFM 6796/1869 fol. lvf. 13) Archiv der Akademie der bildenden Künste Wien Verwaltungsakten 328/1869. - Der Dank des Verfassers gilt an dieser Stelle Herrn Dr. Walter Cerny für die erforder­lichen Nachforschungen. 14) HKA Kürschner fol. 65. ls) Ebenda fol. 77; Institutsakten, Beilage zu 19/1871; vgl. Lhotsky Institut 141.

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