Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger
ZITTEL, Bernhard: Planung im Archivbereich
12 Bernhard Zittel Wir sind uns wohl bewußt, daß wir hier den Idealtyp gezeichnet haben. Die Alltagswirklichkeit liegt weit darunter, nicht zuletzt, weil die Archive an jenem oben gezeichneten doppelten Mißverhältnis zwischen Personal- bzw. Raumbedarf und den Erwartungen der modernen Gesellschaft leiden. Diese „Mangelkrankheit“ läßt sich aber nur dadurch beheben, daß in den Archiven die notwendige finanzielle Grundlage geschaffen wird. Das setzt aber voraus, daß die zuständigen Staatsstellen, Parlamente und Stadträte von der Bedeutung der Archive im Rahmen des modernen Staates und für die staatlichen und kommunalen Behörden selbst überzeugt sind. Diese Überzeugung fehlt aber, wenn wir ehrlich um uns blicken, weithin. Die Schuld dafür müssen wir nicht zuletzt bei den Archivaren selbst suchen, eben, weil sie sich zu wenig oder gar nicht darum bemühen, ihrer Informationspflicht gegenüber ihrer Staatskanzlei oder ihrem zuständigen Ministerium in wohl verstandenem Eigeninteresse nachzukommen. Damit schließt sich der Teufelskreis. Die Archive können ihm nur dann entrinnen, wenn sie sich selbst kritisch durchleuchten, ernsthaft Bilanz ziehen über das Soll und Haben und überzeugende Argumente für ihre Forderungen und Zielvorstellungen anzubieten haben. Damit stehen wir aber mitten in unserem Thema: Planung im Archivbereich. Wie ernst unsere Überlegungen zu nehmen sind, mögen zwei Hinweise belegen. Um die Bedeutung und künftige Rolle der Archive zu unterstreichen, regen Unesco und der Internationale Archivrat „in einer historischen Rolle“ ein „Internationales Jahr der Archive“ an7). In einem Entwurf zu einem Archivgesetz vom Juni 1972, den das französische Ministerium für kulturelle Angelegenheiten angeregt hat, gehört die Öffnung der Archive für die Öffentlichkeit zum Wesenszug dieser Einrichtung (Art. 22). Die Bedeutung, die die französische Regierung den öffentlichen Archiven zuerkennt, wird dadurch unterstrichen, daß sie die Archive „unmittelbar der höchsten Staatsspitze“ unterstellt wissen will (Art. 2)8). Schließlich könnten wir mühelos einige überzeugende Beispiele anführen, bei denen durch das hier empfohlene und im folgenden am Beispiel der Personal- und Bauplanung vorgeführte Verfahren Oberbürgermeister und Stadtrat mehrerer bayerischer Mittelstädte für eine großzügige und zukunftweisende Lösung des Archivproblems gewonnen werden konnten. PLANUNG IM PERSONALBEREICH Auch auf die Gefahr hin, für manche Kollegen Binsenwahrheiten auszusprechen, möchten wir einige in der täglichen Archivpraxis gewonnenen Einsich7) Vgl. D e 1 m a s La planification 233. 8) Ebenda 307—309. Art. 22 lautet: „Les documents, selon leur nature, sont accessibles aux recherches du public ä l’expiration d’un délai variable“; Art. 2: „Autorité de tuteile des archives. Les archives, ayant une vocation intermini- stérielle, doivent étre placées sous une autorité située au plus haut niveau de l’État (président de la Republique, services du premier ministre ou Sécre- tariat général du gouvernement).“