Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28. (1975) - Festschrift für Walter Goldinger

ZITTEL, Bernhard: Planung im Archivbereich

Planung im Archivbereich 11 Die Archive sind also ein Informationsspeicher ersten Ranges. Neben den klassischen Auftrag, Informationen zu sammeln, zu speichern und zu er­schließen, tritt die Aufgabe, diese Informationen den interessierten Gruppen anzubieten. Manche Archivare gehen noch weiter und schließen in diesen Auftrag an die Archive auch die Verpflichtung ein, die Schätze der Archive „mundgerecht“, d. h. für den geistigen Horizont der jeweiligen Benützer- schicht „assimilationsfähig“, anzubieten und, wo nötig, den „Kunden“, etwa nach holländischem Beispiel durch Lesekurse, das Rüstzeug für eine sinn­volle Archivbenützung zu vermitteln6). Dabei unterstellen die Verfechter ei­nes „marktgerechten“ Informationsangebotes nicht selten stillschweigend, daß es - etwa nach dem Muster der aus den Erkenntnissen der Tiefenpsycho­logie gespeisten unterschwelligen Wirtschaftswerbung - dem Archivar durchaus zukommt, das allgemeine und das gezielte Interesse an Archivin­formationen bewußt zu wecken. Sie suchen den Bürger davon zu überzeugen, daß der in den Archiven gespeicherte Schatz an Erfahrungswissen ihnen hel­fen kann, ihre Alltagsfragen zu lösen, darüber hinaus ihre Freizeit, etwa in der Form der Familien- und Heimatforschung, sinnvoll auszufüllen. Wir fassen zusammen: Die Archivare vernachlässigen zu ihrem eigenen Schaden die Imagepflege, aus welchen Gründen auch immer. Als Informa­tionsträger und -Vermittler erster Ordnung müssen sich die Archive der mo­dernen Gesellschaft öffnen. Diese Bereitschaft zur Dienstleistung für jeden Staatsbürger - auf diesen Nenner könnte man den Leitgedanken bei der Aussprache auf der jüngsten Table ronde in Ottawa wohl bringen - setzt eine verstärkte Kontaktpflege zur Öffentlichkeit voraus. Ohne Zweifel birgt diese neue, besser gesagt neu gesehene und neu ausgelegte alte Aufgabe der Ar­chive die Chance, sich stärker im Bewußtsein der Zeitgenossen zu profilie­ren; dies umsomehr, wenn eine Archivleitung es versteht, diesen Dienst an der Öffentlichkeit in Zusammenarbeit mit den Medienträgern Presse, Rund­funk und Fernsehen - die Tagung in Ottawa wie die medienorientierte Aus­stellung des dortigen Staatsarchivs ließen erfreulich ergiebige Ansätze er­kennen - zu einer echten Partnerschaft im Geben und Nehmen auszuweiten. pathetisch. Einige Auszüge: „Dans de nombreuses parties du monde, l’informa- tion disponible dans les collections des services de documentation, de bibliothé- ques et d’archives n’est pás utilisée parce que les usagers potentiels n’en con- naissent pás l’existence ni les avantages qu’elle peut offrir, ou bien parce qu’elle ne répond pás aux besoins particuliers de certains secteurs de la communauté. La coopération volontaire et la compréhension de la part de tous les membres de la communauté sont nécessaires si l’on veut que le NATIS atteigne son effica- cité optimale. Dans le cadre de l’éducation des usagers, chaque citoyen doit done avoir conscience de ses droits á l’information — et de l’importance de celle-ci — que ce soit pour se perfectionner dans sa profession, pour remplir ses devoirs sociaux ou pour se distraire ..in Systémes nationaux d’information (NATIS). Objectifs d’une action nationale et internationale (Paris 1974) 14—15. 6) In Ottawa berichtete Pirenne (Niederlande) von derartigen paläographi- schen Übungen in Geldern, die zwischen 80 und 200 Teilnehmern zählten.

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