Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
AL-SAMMAN, Tarif: Untersuchungen zur osmanischen Tugra
12 Tarif Al-Samman Später, im 17. Jahrhundert, wurde das Zeichen der Tugrä viel komplizierter. Man legte Wert auf Verzierungen und schönere Ausstattung, weshalb ein besonderer, künstlerisch begabter Schreiber, der Tugrämaler, notwendig wurde; auf Türkisch wurde er Tugräkes oder Tugränuwis genannt. Nach einem Gesetz Mohammeds II. erhält der Tugrämaler den Rang eines Wesirs und den Titel Nisangi68); er gehörte damals zu den höchsten Beamten des osmanischen Reiches. Da später immer mehr Urkunden hergestellt wurden, benötigte der Nisangi mehrere Gehilfen, die in einer großen Kanzlei arbeiteten 69). Die Richtigkeit der Tugrä bezeugte man von seiten der Chefkanzlei durch Einsetzen des Wortes „§ab“ (= es stimmt, richtig). Das Setzen der Tugrä ist eigentlich die letzte Formalität, die bei der Urkundenausstellung vor sich ging und die Urkunde erst vollgültig machte. Mit der Zeit scheint dann der Gebrauch aufgekommen zu sein, Urkundenblätter mit der Tugrä in verschiedenen Größen als Vorrat herzustellen 70), worauf erst nachträglich der Urkundentext geschrieben wurde. Viel später noch wurde die Tugrä im Druck hergestellt (Taf. 3/2). Die unbefugte Nachahmung der Tugrä wurde mit dem Tode bestraft71). Ergänzend wäre zu bemerken, daß auch Großwesire und Wesire eine Art Tugrä geführt haben, — zwar nicht in der Form der Herrscher-Tugrä, aber in ungefähr gleicher Größe und mit ähnlich verschlungenen Formen. Diese Wesirs-Tugrä hieß Pentse (Handzeichen) und wurde im Gegensatz zur Sultans-Tugrä an den rechten Rand der Urkunde gesetzt72). Auch die Prinzen verfügten über Handzeichen, die allerdings selten der Tugrä ähnlich sind (Vgl. Abb. 1, Fig. 4) 73). Für höhere Beamte und Prinzen arbeiteten eigene Tugrenkanzleien. VI Bei der Betrachtung der Hauptelemente der Tugrä empfiehlt es sich, äußere und innere Merkmale zunächst getrennt voneinander zu analysieren. A. Äußere Merkmale: a) Beschreibstoff: Für die Urkunden wurde immer Papier verwendet, es kommt jedoch darauf an, ob es sich um hartes Papier (Karton) oder um feines dünnes 68) Babinger Die großherrliche Tughra 195 und Wittek Notes XLIV. 69) Klaus Röhrborn Untersuchung zur osmanischen Verwaltungsgeschichte (Berlin 1973) 48. 70) Kraelitz Osmanische Urkunden 19. 71) Joseph von Hammer Geschichte des osmanischen Reiches 7 (Pest 1831) 375 und 5 (1829) 316. 72) Hammer-Purgstall Abhandlung 18 und Georg Jakob Türkische Urkunden und Briefe in Der Islam 7 (Straßburg 1916) 271. 73) Friedrich Kraelitz-Greifenhorst Die Tugra der osmanischen Prinzen in Mitteilungen zur osmanischen Geschichte 1 (Wien 1922) 467.