Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

BALISCH, Alexander: Die Entstehung des Exerzierreglements von 1749. Ein Kapitel der Militärreform von 1748/49

180 Alexander Balisch Memorandum vom 7. September 174030) die Tatsache, daß viele Entschei­dungen von den zivilen Referendaren allein ohne vorhergehende Bera­tung mit den Kriegsräten, manchmal sogar ohne Wissen des Hofkriegs­ratspräsidenten getroffen und dann als offizielle Entscheidungen des Hofkriegsrats ausgegeben wurden. Er beschwerte sich darüber, daß er, wenn er als Vizepräsident detaillierte Berichte über die laufenden Ange­legenheiten verlangte, oftmals nur Informationen über unbedeutende An­gelegenheiten erhielt, darunter nicht selten Berichte, welche die tatsäch­lichen Entscheidungen verfälschten. Das Dokument übt auch strenge Kri­tik an dem noch immer vorkommenden Verkauf von Offizierspatenten und an der stillschweigenden Gewährung von direkt an den Hofkriegsrat gerichteten Beschwerden und Petitionen von Offizieren und sogar Unter­offizieren unter Übergehung des korrekten Dienstweges. Auch Franz Stephan von Lothringen, der spätere Kaiser, hatte schon zwei Jahre vorher ähnliche Beschwerden vorgebracht31). Es ist leicht zu ersehen, daß eine derartig geführte Zentralbehörde Reformen nicht effektiv durchführen und zur Erhöhung oder zumindest Erhaltung von Disziplin und Korpsgeist wenig beitragen konnte. Dementsprechend verschlechterten sich Disziplin und Korpsgeist in der österreichischen Armee während der dreißiger und vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Ein unsigniertes und undatiertes Memorandum äußert die Beschwerde, daß „bey denen Troupen eine sol­che Libertinage eingerissen“, daß der gemeine Mann es versäume, Offizie­re, ja sogar Generäle zu salutieren. Selbst in der Gegenwart von Offizie­ren scheue er sich nicht, „etwas Verbothenes zu thun“. Dies wäre nicht zu verwundern, da die Offiziere es oftmals versäumten, die Leute deswegen zur Rede zu stellen. Das Resultat sei ein vollständiger Verfall von Respekt und Disziplin 32). Franz von Lothringen beklagte 33) den Mangel an guten Offizieren, die ihren Dienst und Beruf ernst genommen hätten, und schrieb diesen Mangel dem Günstlingswesen, welches sich beim Hofkriegsrat und unter a») KA HKR Exp. 1740 — September — VIII. 31) KA Mém. IX — 58 (1738). 32) KA Mém. VI — 102: General Anmerkung, behandelnd die Organisa­tion eines Bataillons, Methoden der Chargierung und Probleme der Disziplin. Da es sich auf die Einteilung der Bataillone in 12 Pelotons, laut dem Reglement von 1737, bezieht, muß es zwischen 1737 und 1749 verfaßt worden sein, da das Reglement von 1749 die Bataillone in 16 Pelotons teilte. Da es sich außerdem auf tägliche Anordnungen der Generalität bezüglich Desertion von Soldaten wäh­rend der Gefechte bezieht, muß dieses Dokument vor dem Ende des österrei­chischen Erbfolgekrieges verfaßt worden sein. 33) KA Mém. IX — 58 (1738) Alleruntherthänigster Vortrag, unsigniert. Der Autor kann durch seine Bemerkung im ersten Absatz des Dokuments be­züglich seiner eben erfolgten Ernennung zum Oberbefehlshaber der Armee iden­tifiziert werden. In österreichischer Erbfolgekrieg 1 415 wird versehentlich der Prinz von Sachsen-Hildburghausen als Verfasser angegeben.

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