Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
BALISCH, Alexander: Die Entstehung des Exerzierreglements von 1749. Ein Kapitel der Militärreform von 1748/49
174 Alexander Balisch wurde beibehalten, obwohl andere Staaten damals bereits zur dreigliedrigen Aufstellung übergegangen waren (England, Sachsen und Holland)12). Als Ergänzung dieses Reglements wurde 1705 das Reglement wegen des Chargierens in Bataillen herausgegeben, das bereits einige der Verbesserungen enthielt, welche die preußische Infanterie allen anderen überlegen machen sollte: das Pelotonfeuer während des Vorrückens, nämlich mit dem Herausrücken der Züge in drei Schritten. Die Verbindung von gut kontrolliertem Feuer mit gleichzeitigem Vorrücken sicherte der preußischen Infanterie in der Zukunft große Erfolge 13). Eine vollkommene Einheitlichkeit führte das Reglement von 1702 jedoch noch nicht herbei. So erhielt z. B. das Corps Lottum 1709 die spezielle Instruktion, in einer Aufstellung zu drei Gliedern zu feuern u). Die erwünschte Einheitlichkeit des Drills wurde erst unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. erreicht. Das erste Reglement unter seiner Regierung, herausgegeben 1714, eliminierte die letzten Reste der Selbständigkeit der Regiments-Kommandeure. Jeder Offizier erhielt eine Kopie des Reglements, mußte es in regelmäßigen Abständen studieren und war verpflichtet, die Bestimmungen genauest zu kennen und zu befolgen. Die Disziplin des Offizierskorps wurde nun besonders betont und mit großer Strenge überwacht. Ganz im allgemeinen datiert von der Regierung dieses Königs der Ursprung der sprichwörtlichen preußischen militärischen Disziplin und der Eigenheit des preußischen Offizierskorps. Eine Neuausgabe im Jahre 1718 des Reglements von 1714 enthält erweiterte Bestimmungen betreffend disziplinäre Angelegenheiten. Wichtige taktische Neuerungen brachte das Reglement von 1714 nicht. Die Chargierung erfolgte noch immer nach langsamen, gemessenen Kommandos, und die Formation zu vier Gliedern wurde beibehalten. Erst das Reglement von 1718 brachte eine wichtige Neuerung: Während einer Schlacht oder eines Gefechtes wurden die Bataillone nun in drei Gliedern aufgestellt. Dadurch konnte die Front ohne tatsächliche Einbuße von Feuerkraft verlängert werden 15). Die Tatsache, daß die Formation zu vier Gliedern für alle Gelegenheiten, bei denen nicht chargiert wurde, z. B. während Paraden, beibehalten wurde, deutet an, daß man zögerte, mit der Tradition völlig zu brechen und allzu kompliziertes Exerzieren und Evolutionen einzuführen. Selbst dieses Reglement von 1718 hielt noch an der langsamen, gemessenen Methode der Chargierung fest, obwohl Fürst Leopold von Anhalt-Dessau damals schon erkannt hatte, daß nicht nur die Anzahl der Feuerwaffen, sondern ebenso die Geschwindigkeit des Feuers die * 1 12) J ä h n s Geschichte 2 1650 und Curt J a n y Geschichte der preußischen Armee 1 (Osnabrück 1967) 616. ls) J a n y Geschichte 1 618 ff. i*) Ebenda 615 f. 15) J ä h n s Geschichte 2 1659.