Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
BALISCH, Alexander: Die Entstehung des Exerzierreglements von 1749. Ein Kapitel der Militärreform von 1748/49
172 Alexander Balisch Obwohl das Castel’sche Reglement einige neue taktische Ideen enthielt, wie z. B. den Vorschlag, die Tiefe der Formation zu verringern, wenn es das Terrain erlauben sollte, und Anweisungen zum Laden und Feuern im Stehen und während eines langsamen Vorgehens, so erkannten die österreichischen Zentralbehörden doch nicht die Notwendigkeit der Einführung eines allgemeinen Exerzierreglements für die gesamte Armee. Ganz im Gegenteil, die ersten Exerzierreglements für reguläre Truppen wurden von einzelnen Regimentsinhabern vom Ende des 17. Jahrhunderts an für deren Regimenter herausgegeben6). Zu den am besten bekannten Regimentsreglements gehören u. a. das Reglement über ein Kayserliches Regiment zu Fuss von FML Regal (1728), das Exerzitium des Grafen Wallis’schen Regiments zu Fuss (1705) und die Richtschnur des Grafen Daun’sehen Regiments zu Fuss (1733) 7). Obwohl das Exercitium zu Pferd und zu Fuss (1726) des FM Ludwig Andreas Graf Khevenhüller für ein Dragonerregiment bestimmt war, soll es doch hier angeführt werden, da es äußerst populär wurde und im Gegensatz zu den meisten Regimentsreglements durch die Klarheit und Kürze seiner Erklärungen und Anweisungen hervorsticht. Die hier angeführten Regimentsreglements wie auch einige weitere erschienen im Druck, einige sogar in mehreren Auflagen, und wurden daher weitgehend bekannt. Es muß aber bemerkt werden, daß diese Ausgaben das Resultat privater Initiative waren; die meisten Regimenter verwendeten handgeschriebene Reglements. Die Korrelation zwischen diesen Regimentsreglements, deren Großteil zwischen 1700 und 1730 erschien, ist noch nicht genau untersucht worden. Eine solche Studie wäre notwendig, um festzustellen, wie die verschiedenen Regimenter in ihrem Drill und in Manövern variierten 8). Ein oberflächlicher Vergleich zeigt, daß die Verschiedenheiten hauptsächlich in der Art der Chargierungen und der Ausführung der Manöver (Schwenkungen etc.) liegen. Wenn man dem General Prince de Ligne folgen darf, waren diese Reglements gewöhnlich schlechte Imitationen ausländischer Vorbilder und ihre Verschiedenheiten führten zu großen Nachteilen 9). Die Bedeutung des Fehlens eines allgemeinen Exerzierreglements für die gesamte Armee liegt nicht nur in den schädlichen Verschiedenheiten der Regimentsreglements, sondern auch in der Tatsache, daß im allgemeinen die einzelnen Regimenter nicht einmal nach ihren eigenen Reglements zufriedenstellend gedrillt waren. Regimentskommandeure inspizierten ihre Regimenter nur selten, und daher konnten die Oberstleutnants schalten und walten, je nach Begabung und Pflichtbewußtsein. FML Regal verwies e) Ebenda. 7) Ebenda 1669 f. 8) Erben Kriegsartikel 21 ff. °) J ä h n s Geschichte 2 1669.