Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

BALISCH, Alexander: Die Entstehung des Exerzierreglements von 1749. Ein Kapitel der Militärreform von 1748/49

Exerzierreglement 1749 171 della Guerra ‘) widmeten nur eine Seite dem Drill der Truppen. Die Sol­daten hatten sich selbst im Laufen, Ringen, Schwimmen etc. zu üben und die einfachen Manöver, die während einer Schlacht angewandt wurden — Schwenkungen, Öffnen und Schließen der Glieder —, wurden in Gruppen geübt, ebenso wie die Handgriffe mit der Pike zur Verteidigung des In­fanterieviereckes. Montecuccoli meinte, daß sich die Truppen vor dem Feinde umso besser bewähren würden, je weniger und je einfacher die ihnen beigebrachten Griffe und Manöver wären2 *). Trotzdem schlug er die Einführung von „Trillmeistern“ für jedes Regiment vor, obwohl er es vor­gezogen hätte, wenn die Offiziere ihre Soldaten selbst gedrillt hätten s). Diese Bemerkung deutet auf eine schwerwiegende Schwäche der Armeen des 17. und frühen 18. Jahrhunderts hin: auf die Tatsache, daß Offiziere oft ihre Pflichten vernachlässigten und dem Drill ihrer Einheiten wenig Augenmerk zuwandten. Beschwerden über diese Vernachlässigung kann man bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts finden. Am Ende des 16. und frühen 17. Jahrhunderts wurden in Deutschland, in Tirol und Österreich Versuche gemacht, die Landesbevölkerung zu bewaffnen, um eine Verbesserung des allgemeinen Aufgebotes durchzu­führen. Da die Verbesserungen der Feuerwaffen einen einheitlicheren Drill erforderten, wurden verschiedene Reglements zur Abrichtung dieser Mannschaften verfaßt. Das erste gedruckte österreichische Exerzierregle­ment wurde 1653 in Tirol herausgegeben: das Handbüchel zum Exerzieren, verfaßt von Oberstleutnant Girardi von Castel, der 1648 Kommandant der Festung Scharnitz war und ebenso den Rang eines Tiroler Kriegsrates be­kleidete. (Es ist möglich, daß frühere österreichische Reglements in Ma­nuskriptform existierten)4). Das erste deutsche Exerzierreglement, ver­faßt von Landgraf Moriz von Hessen, wurde schon im Jahre 1600 ge­druckt 5) und hat möglicherweise Castel zum Vorbild gedient. Ähnliche Exerzierhandbücher entstanden auch in anderen deutschen Staaten, z. B. 1608 in Nassau und 1620 in Anhalt. Obwohl die Landesaufgebote im Vergleich zu den Landsknechten minderwertig und oft unzuverlässig wa­ren, sind diese frühen Exerzierhandbücher doch von Bedeutung, da sie die Vorstufe der später entstandenen, allgemein angewandten Exerzierregle­ments waren. 1) Ms. im Kriegsarchiv Wien (= KA) Kriegswissenschaftliche Mémoires (= Mém.) IX; hier benützt in deutscher Übersetzung: Raimund Fürst Mon­tecuccoli Besondere und Geheime Kriegsnachrichten (1736), Kopie in der Bibliothek des KA. 2) Montecuccoli Kriegsnachrichten 15 f. s) Ebenda 162 f. 4) Wilhelm Erben Kriegsartikel und Reglements als Quellen zur Geschichte der k. k. Armee in Mitteilungen des k. u. k. Heeresmuseums 1 (1902) 13 f. 5) Max J ä h n s Geschichte der Kriegswissenschaften, vornehmlich in Deutschland 2 (München—Leipzig 1891) 883.

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