Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

AL-SAMMAN, Tarif: Untersuchungen zur osmanischen Tugra

8 Tarif Al-Samman IV Auf der osmanischen Sultansurkunde gibt es keine Unterschrift, sondern es wird ein monogrammartiges Zeichen an den Anfang von Urkunden, Erlässen, auf Münzen, öffentliche Gebäude, Kriegsschiffe, später dann auf Pässe, Briefmarken und Kontrollstempel gesetzt. Dieses Zeichen heißt Tugrä, und besteht aus dem Namen des Ausstellers der Urkunde und seinen Titeln (Inti- tulatio). Das Wort Tugrä ist auch ins Arabische und Persische übernommen worden. Im Arabischen bedeutet das Wort dasselbe wie „cAläma“ oder „Tawqic“ (Zeichen, Unterschrift), im Persischen dasselbe wie „Nisän“ (Zei­chen) 37 *). Das Arabische gebrauchte eine Zeitlang das Verbum Taggara 3S), auf Deutsch: mit der Tugrä versehen. Später aber verwechselte man „Tugrä“ mit „Turra“ = Stirn, Kante eines Stoffes oder oberer Band eines Schrift­stückes 39). Von da her leiten sich noch andere Bedeutungen des Wortes in den türkischen Dialekten; es bezeichnet bald jedes Ende einer Sache 40), bald den Trommelschlägel, bald die Spitze des Turbans. Al-Qasgari 41) meint, das Wort Tugrä komme von der oghuzischen Bezeich­nung „Tughragh“ für „Zeichen“, „Siegel des Herrschers“ oder „Erkennungs­marke des Pferdes“, hält den Ursprung dieses Wortes jedoch für unbekannt. F. Kraelitz schließt sich der Meinung Qasgaris an, „Tughragh“ sei das Stamm­wort, durch Auslassung des Lautes „gh“ sei „Tughra“ entstanden 42). Eine andere Theorie leitet unser Wort von dem Namen des heiligen Vogels Tugri her, dem Wappentier einiger türkischer Stämme. Diese Theorie erscheint aber nicht glaubwürdig, da die ältesten Exemplare der Tugrä keineswegs die Gestalt eines Vogels haben 43). Wieder andere Erklärungen für das Wort Tugrä finden wir in der türkischen Literatur44). Sultan Murád I. soll nach Beendigung des Krieges mit einigen osteuropäischen Ländern ein Privileg für die Einwohner von Ragusa mit einem Tintenabdruck seiner linken Hand am Schluß gezeichnet haben; die Tugrä habe sich durch Nachahmung dieses Abdruckes ausgebildet. Man fügt noch hinzu, daß auch mongolische Herrscher Urkunden durch Handabdrücke 37) Tarichi cOsmani enzümeni medzmu'asi (= TOEM), hg. von der Gesellschaft für osmanische Geschichtsforschung, 43 (Istanbul 1908 — 1921) 56, Ihn Hälikän Wafayät al-Acyän (Kairo 1948ff.) 1 202 und Ismä'il Haqql Uzun^arsjili Tugrä in Betteten 5 (1941) 101. 3e) Taqiaddin al-MaqrlzI Hitat 2 (Kairo 1270 H) 211. 39) Lois Maclüf Al Mungid (Beirut 1937) 478 unterscheidet Tugrä von Turra und stellt die Bedeutung von Tugrä klar. 40) Jean Deny Die Tugrä in EI 61 890. 41) Mahmüd ihn Husein al-Qasgari Lugät at-Turk 2 (Istanbul 1333H) 388. 42) Friedrich Kraelitz Osmanische Urkunden in türkischer Sprache in Sitzungs­berichte der Akademie der Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Kl. 197/3 (1921) 18. 43) Fekete Einführung XLII. 44) Täha Zäda íOmar Farük ibn Mohammad Muräd, Tärich Osmanide 1 (Istanbul 1325 H) 103—108; vgl. auch Ahmad Räsem Osman Tärichi 1 (Istanbul 1326 H) 35f.

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