Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

MATHIS, Franz: Neue Aspekte zur Planung des süddeutschen Feldzuges von 1704

164 Franz Mathis daran dachte, ihn vielleicht sogar in Bayern zum Einsatz kommen zu las­sen. Sicher ist jedoch, daß ungefähr zur gleichen Zeit in London die Mög­lichkeit eines Zuges Marlboroughs an die Donau zum ersten Mal in Betracht gezogen wurde. Die erste, chiffrierte Andeutung dieser Art findet sich in Lescheraines Bericht vom 11. April, wo es heißt, ,,Milord ira au Danube“ ea). Da aber Lescheraine London schon am 4. April verließ, dürfte zum ersten Mal in diesen frühen Apriltagen davon die Rede gewesen sein. Denn noch am 1. April schreibt Wratislaw, daß der Herzog „in seinen vori­gen guten Intentionen verharret,“ womit auf Grund seiner früheren Kor­respondenz eher eine Operation am Oberrhein, kaum aber ein Marsch Marlboroughs an die Donau gemeint sein kann, umso mehr, als auch Lescheraine in seiner Relation vom 1. April noch nichts davon erwähnt67). Es stellt sich jetzt die Frage, ob diese Idee, wie vielfach behauptet, von Prinz Eugen ausging und über Wratislaw an Marlborough herangetragen wurde oder ob sie unabhängig in London entstand 68). Da für erstere An­nahme jedes Quellenzeugnis fehlt, wollen wir uns etwas ausführlicher mit der zweiten Möglichkeit beschäftigen. Sowohl Wratislaw als auch Marl­borough wußten um die Vordringlichkeit des bayerischen Kriegsschauplat­zes. Es ist daher nicht von der Hand zu weisen, daß Ludwigs offensicht­liche Abneigung gegen einen frühen Feldzug an der Donau für Marl­borough und Wratislaw mit ein Grund war, selbst dorthin ziehen zu wol­len. Denn die Bekämpfung Max Emanuels hatte der Graf schon im Jänner als eine Angelegenheit bezeichnet, die „von ihm [Marlborough] spezifie müßte stipuliert und promittiert werden müssen“ 69). Und Marlborough beklagte sich bei Baron Schütz mehr als einmal, daß der Markgraf eher am Rhein als an der Donau operieren wolle. Andererseits hatte Marlborough dem Projekt des Prinzen Eugen entnom­men, daß dieser für die Offensive gegen Bayern die Aufstellung von zwei Armeen für zweckmäßig hielt. Warum sollte dann nicht Marlborough die eine und Ludwig die andere kommandieren, mögen sich Marlborough und Wratislaw gedacht haben. Für den Fall einer gemeinsamen Operation hat­te ihm der Markgraf ja bereits die Teilung des Kommandos angeboten, und mehr konnte er sich in dieser Hinsicht nicht erwarten. Daß eine der beiden Armeen von Prinz Eugen selbst kommandiert werden sollte, dessen Aufgabenbereich eigentlich in Italien lag, dürfte in London damals noch nicht bekannt gewesen sein. ««) Lescheraine an Johann Wilhelm, 1704 April 11 Den Haag: GStA Kasten blau 81/4 fol. 260 bei Mathis Marlborough und Wratislaw 378 f. «7) Wratislaw an Leopold, 1704 April 1 London: HHStA StA England 38; Lescheraine an Johann Wilhelm, April 1 London: GStA Kasten blau 81/4 fol. 277. 68) Ersteres wird vor allem von Ritter Politik und Kriegführung 192 vertreten. 69) Wratislaw an Leopold, 1704 Jänner 18 London (wie Anm. 11).

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