Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531
138 Christiane Thomas danke wird ab 1531 den Administrator, sobald Karl das Reich betritt, zum Titularkönig absinken lassen. Nicht allein die politischen Gegebenheiten werden also Ferdinand in seiner neuen Position am kraftvollen Durchgreifen hindern; schon die Ausgangsbasis bringt mehr Hemmnis als Zugeständnis. Zudem wird er zwischen auf dem Papier verbrieften Rechten (ostensible Vollmacht) und ebenso verbrieften Restriktionen („moderacion“) lavieren müssen, deren erster Entwurf seine Eigeninitiative fast völlig auslöscht. Hatte man nicht aus dem Geheimvertrag von Brüssel gelernt, welche Schwierigkeiten ein Miteinander von offen und heimlich betriebener Politik mit sich brachte? Fehlendes Vertrauen Karls — mag es nun berechtigt oder unberechtigt sein — und dessen unbeirrbares Beharren auf der Ganzheit des Kaisertums drängten alle anderen Überlegungen in den Hintergrund. Trotz aller Bemühungen des Chefs der kaiserlichen Kanzlei, Verbote und strikte Gebote auf ein erträgliches Maß einzudämmen, muß der Historiker, der sich Jahrhunderte später unvoreingenommen diesem Problemkreis nähert, zu dem Schluß kommen daß in der Ausfertigung zweier einander widersprechender Bevollmächtigungen eine Fehlkonstruktion geschaffen wurde. Ohne alle schmückenden, mildernden Details reduziert sich die geheime Vollmacht auf den Kernsatz, daß der König, ausgestattet mit zu wenigen Befugnissen, für alle politisch relevanten Fragen zu jeder Zeit an das kaiserliche Votum gefesselt ist. Zusätzlich entziehen die Abmachungen zwischen Ferdinand, den Kurfürsten und Karl dem ersteren jegliche Handlungsfähigkeit bei Karls Anwesenheit. So ist es nicht verwunderlich, wenn Rassow noch für 1536 jede „politische Eigenständigkeit“ bei Ferdinands „Statthalterschaft in Deutschland“ leugnet: „Der ,Römische König“ war abhängiger Funktionär des Kaisers“ 147). Wäre dieses theoretische Schema verwirklicht worden, hätten nur Chaos und totales Versagen der Reichsregierung die Folge sein können. Wenn in der Praxis mit Ferdinands Betrauung die Bewältigung der diffizilen Probleme im Reich beabsichtigt worden war, so mußte dies ein Überschreiten oder Durchbrechen des einengenden schriftlichen Diktats nach sich ziehen, vielleicht auch nur den stillschweigenden Verzicht auf eine Konstruktion, die sich eher als Symptom, weniger als effektiver Faktor der Herrschaftsausübung erweist. i«) Rassow Kaiser-Idee 290. Maximilian II. klagte noch 1553 gegenüber Albrecht V. von Bayern über die mangelnde Kraft seines Vaters, dem Kaiser die Stirn zu bieten: C h u d o b a Spain and the Empire 83.