Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531

108 Christiane Thomas die Vorbereitungen für die inhaltliche und formale Gestaltung ebenfalls während dieses kurzen Zeitraums ausgearbeitet worden sein. Man sollte denken, daß die erste Januarhälfte, vollgestopft mit Kontakt­aufnahmen, Debatten und Vereinbarungen — wobei sich je nach Art und Charakter der Beratungsgrundlage die drei Parteien Karl, Ferdinand und die Kurfürsten zu Partnern oder Opponenten zusammenfanden —, keinen Spielraum mehr freiließ, das anzuschneiden, was für Ferdinands tatsäch­liche Befugnisse und Bewegungsfreiheit im Reich ausschlaggebend war: In der überblicksartigen Aufzählung der Arbeitsleistung dieser zwei Wo­chen vermißt man jede Andeutung auf die Entstehung der zweiten, der geheimen Vollmacht. Es unterstreicht jedoch nur die vertrauliche Behand­lung dieser Instruktion, wenn offizielle, vom kurmainzischen Notar An­dreas Rücker angelegte Protokolle nichts davon wissen. Hier muß entspre­chend dem Verzicht auf „reichsweite“ Publizierung die private Korrespon­denz herangezogen werden. Sie bietet die einzige Notiz, aus der hervor­geht, daß schon die Januartage im Zeichen der Planung für das „sommaire memoire“ standen. Durch die Worte Karls von einem „memoire selon ce que en advisames ensemble et entendites de ma part á Aix, vous remec- tant d’en faire selon ce“ 29) ist sicher, daß Kaiser und König in Aachen über Dinge beratschlagten, die nicht in der ostensiblen Vollmacht auftau­chen — letztere wird bei derselben Gelegenheit als „pouvoir“ ausgewie­sen — und für die Karl der tonangebende Part war. Ferdinand hatte in erster Linie den kaiserlichen Standpunkt anzuhören und wird nun ge­mahnt, dieses Memoire, in dem man den Ausfluß der Vorstellungen Karls erblicken muß, zu befolgen. Die knappen Angaben verschweigen, wie weit die Unterredung, womög­lich mehrere Unterredungen, gediehen waren. Vielleicht war lediglich „par bouche“ Ansicht gegen Ansicht ausgetauscht worden, vielleicht hatte man „par ecrit“ erste, noch ganz allgemein gehaltene Grundsätze konzi­piert. Solange nicht weitere Quellen diese eine Anspielung verdeutli­chen, bewegen sich Erörterungen über Ferdinands Kenntnis von prinzi­piellen Wünschen Karls oder von detailliert ausgearbeiteten Bestimmun­gen nur im Bereich der Hypothese. Als feste Tatsache aber ist zu vermer­ken: Zum Zeitpunkt der Trennung vom Bruder und kurz vor der Datie­rung des offiziellen Gewaltbriefs wußte der jüngere Habsburger, daß seine königlichen Handlungen im Reich — abgesehen von den Verpflichtungen, die ihm die Kurfürsten mit der Wahlkapitulation aufgezwungen hatten — nicht nur von einem, sondern von zwei Erlässen des Kaisers geprägt sein würden. Wenn ihn dies beunruhigte (wäre ihm das ursprüngliche Konzept bereits geläufig gewesen, könnte man berechtigt von tiefer Beun­ruhigung sprechen), so ließ er darüber nichts verlauten. Sogar die ihm so 29) Karl an Ferdinand, 1531 Februar 14 Brüssel: FK 42 n. 458/6.

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