Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)
THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531
104 Christiane Thomas samkeit der Forschung so sehr in Anspruch genommen haben, daß für sie mit der Erreichung dieses Zieles ein wichtiges Kapitel kaiserlicher Politik durchgeführt und ein Schlußpunkt zu setzen war. Die unmittelbare Auswirkung, die Ausfertigung zweier gegensätzlicher Vollmachten, und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen wurden vernachlässigt. In diesem Zusammenhang ist weniger an den Biographen Ferdinands, Bucholtz, gedacht, der in der Hauptsache das Wiener Archivmaterial verarbeitete und dessen auf 1530/31 bezüglichen Bände 3 und 4 v o r der Edition des Originals des geheimen Instruments durch Lanz erschienen 9). Von den „fer- dinandeischen“ Historikern wurden in der Folge die zwei Dokumente nicht zur Kenntnis genommen — die beiden Monographien zur Rangerhöhung Ferdinands vermeiden tieferschürfende Erörterungen bzw. konzentrieren sich auf die Widerlegung der sächsischen Einwände zur Wahl10 11 *), — wohl aber tauchen sie in der Literatur zur politischen und rechtlichen Geschichte des Reichs am Rande auf. Winckelmann betonte, daß die „umfassende öffentliche Vollmacht“ wesentliche Einschränkungen durch die Paragraphen vom 12. Februar erlitten habe u). Daraus Schlußfolgerungen zu ziehen, überschritt wohl den Rahmen seines Themas. In kürzester Form vermerkte S m e n d die Machtübertragung an Ferdinand, verwischte aber durch allzu geraffte Formulierung die grundlegende Beobachtung, daß die Betrauung sozusagen in zwei Phasen vor sich ging >2). Zu sehr war Brandis Interesse allein auf Karl gerichtet, als daß er sich den, seiner Meinung nach vielleicht nur den König betreffenden Schriftstücken intensiv gewidmet hätte. Immerhin lenkte er die Aufmerksamkeit auf die „Richtlinien für die Reichsverwaltung“ — wenn auch unter der falschen Datierung von Lanz —, verschwieg aber wiederum das ostensible Instrument. Somit konnte ihm nicht auffallen, inwieweit sich voneinander abweichende Aussagen ergaben. Sein großes Verdienst bestand darin, im Wiener Archiv ein Konzept zur geheimen Vollmacht aufgespürt und entdeckt zu haben, daß die zahlreichen Korrekturen dieser ersten Niederschrift von der Hand Granvellas stammten 13). Schlagartig hatte sich durch das Anwachsen der Überlieferung das Feld für künftige Untersuchungen über die endgültige Ausgestaltung der Konzessionen Karls für seinen Bruder erweitert, denn schon allein die Tat») Franz Bernhard von Bucholtz Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten 1—9 (Wien 1831—1838); Band 3 und 4 erschienen 1832 und 1833. Die ostensible Vollmacht wird Band 9 (Wien 1838) 19 erwähnt und gekürzt veröffentlicht. — Karl Lanz Staatspapiere zur Geschichte des Kaisers Karl V. (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart 11, Stuttgart 1845) 59—62. 10) Die Dissertationen Brankys und Lebensafts siehe oben Anm. 5. 11) Schmalkaldischer Bund 62. Winckelmann folgte nicht Lanz, der (Staatspapiere 59) die Datierung auf 12. März zurückgeschoben hatte. 12) Rudolf S m e n d Das Reichskammergericht 1: Geschichte und Verfassung (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 4/3, Weimar 1911) 145. is) Kaiser Karl V. 2: Quellen und Erörterungen (München 1941) 220. Brandis Titel „Richtlinien für die Reichsverwaltung“ scheint mir nicht ganz treffend: Die Formulierungen des 12. Februar sind nicht nur eine Ergänzung oder ein Verständlichmachen des Textes vom 16. Januar.