Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27. (1974)

THOMAS, Christiane: „Moderación del poder“. Zur Entstehung der geheimen Vollmacht für Ferdinand I. 1531

102 Christiane Thomas Wärter auf das Kaisertum. Diese imponierende Ausgangsbasis für die Zukunft, dieser imponierende Stand für die Gegenwart werden von Fer­dinand negiert. Eine größere Diskrepanz zweier Aussagen zum gleichen Thema läßt sich kaum denken und regt dazu an, die Beweggründe für Ferdinands negativen Ausspruch aufzudecken. Ausgehend von der Bear­beitung der Familienkorrespondenz Ferdinands für die Jahre 1531/32 3) drängte sich eine Komponente zur Klärung der Situation des eben ge­krönten Königs in den Vordergrund — eine Komponente, die bisher nicht in ihrem vollen Umfang erkannt wurde: nämlich das offenkundige Miß­verhältnis zwischen dem offiziellen Gewaltbrief, den Karl für seinen Bru­der als seinen Stellvertreter im Reich am 16. Januar 1531 ausstellte, und der sogenannten „geheimen Vollmacht“ vom 12. Februar4). Damit soll nicht bestritten werden, daß nicht auch andere Ursachen maßgebend wa­ren: Noch im September 1531 machte Ferdinand aus seiner Enttäuschung über nicht erreichte Vorstellungen kein Hehl; schon die Vorgeschichte und der Ablauf seiner Wahl bieten genug Konfliktstoff, der die Schwierig­keiten ahnen läßt, die auf den Rex Romanorum vivente imperatore war­teten 5). Doch sind Erfolg oder Scheitern Ferdinands nicht nur durch die 3) Die Korrespondenz Ferdinands I. 3: Familienkorrespondenz 1531 und 1532 bearb. von Herwig Wolfram und Christiane Thomas (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 58, Wien 1973) = FK. 4) Karl an Ferdinand, 1531 Januar 16 Utrecht: FK 25—33 n. 457 a; Karl an Ferdinand, 1531 Februar 12 Brüssel: FK 36—40 n. 457 c. 6) Zur Geschichte der Wahl u. a.: Franz Bernhard von Bucholtz Ge­schichte der Regierung Ferdinand des Ersten 3 (Wien 1832) 579—590; Winckel- mann Schmalkaldischer Bund 9—61; Franz Branky Der Reichstag des Jah­res 1530 und die Wahl Ferdinands zum deutschen König in 31. Jahresbericht des öffentlichen Unter gymnasiums in der Josef stadt in Wien (Wien 1908) 3—41; Margarete Lebensaft Die Wahl Ferdinands I. zum deutschen König (phil. Diss. Wien 1937); Karl Brandi Kaiser Karl V. Werden und Schicksal einer Per­sönlichkeit und eines Weltreiches 1 (München 31941) 272 f. Speziell zur päpstli­chen Haltung: Briefe an Kaiser Karl V. geschrieben von seinem Beichtvater in den Jahren 1530—32. In dem Spanischen Reichsarchiv zu Simancas aufgefunden und mitgetheüt von G. Heine (Berlin 1848) 66 f (389), 77 f (395); Eduard Wil­helm Mayer Forschungen zur Politik Karls V. während des Augsburger Reichstags von 1530 2: Die Zulassung des sächsischen Kurfürsten zur Königswahl in Archiv für Reformationsgeschichte 13 (1916) 124—146; Nuntiaturberichte aus Deutschland 1533—1559 nebst ergänzenden Aktenstücken Erg. 1: 1530—1531 (Legation Lorenzo Campeggios 1530—1531 und Nuntiatur Girolamo Aleanders 1531) im Auftrag des deutschen Historischen Instituts in Rom bearb. von Ger­hard Müller (Tübingen 1963) 96, 128, 153 f, 157, 162, 174, 185, 187, 197; Gerhard Müller Die römische Kurie und die Reformation 1523—1534. Kirche und Poli­tik während des Pontifikates Clemens’ VII. (Quellen und Forschungen zur Re­formationsgeschichte 38, Heidelberg 1969) 128 f. Zur sächsischen Haltung: Fried­rich N o a c k Die Wahl Ferdinands I. und die sächsische Kurstimme in For­schungen zur deutschen Geschichte 22 (1882) 657—669; dsbe Die Exzeption Sach­sens von der Wahl Ferdinands I. und ihre reichsrechtliche Begründung in Jah­resbericht der Realschule von Crefeld (Crefeld 1885/86) 3—31 (mit Noacks Argu­menten setzt sich Lebensaft ausführlich auseinander); Georg Mentz Johann

Next

/
Thumbnails
Contents