Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

SEIDE, Gernot: Wiener Akten zur polnisch-revolutionären Bewegung in Galizien und Krakau 1832–1845

322 Gernot Seide Wohltätigkeitsbällen und Lotterien zugunsten der Emigration im Winter 1841/42 zurück, die vom Grafen Drohojewski in Krakau, dem Fürsten Sanguszko in Tarnów und von einem gewissen Gumowski in Sanok ver­anstaltet wurden 120 121 122). Weitere Bälle und Lotterien wurden aus Jazlowiec und Lemberg gemeldetm). In Eperjes in Ober Ungarn soll ein eigenes Komitee zur Unterstützung durchreisender Polen bestanden haben. Zahlreiche Flüchtlinge hatten sich in der Umgebung dieser Stadt niedergelassen und übten dort ihre alten Berufe aus!22). Die Verbreitung verbotener Bücher und Schriften kam im Gegensatz zu den dreißiger Jahren nur noch selten vor123). An den vorgenommenen Verhaftungen dieser Jahre fällt der relativ hohe Anteil der unteren Volksklassen auf, was beweist, daß die Propaganda zur Gewinnung dieser Schichten nicht ohne Erfolg geblieben war. So wurden unter anderem ein Schneidergeselle, ein Gerbergeselle, ein Schuhmacher, ein gemeiner Soldat, ein Theologiestudent, ja selbst 13jährige Schüler wegen hochverräterischer Angelegenheiten verhaftet124). Seit Herbst 1844 häuften sich dann wieder die Anzeichen über die Tä­tigkeit revolutionärer Gruppen. Aus Anzeigen geht hervor, daß Teile der Emigration für Ostern 1845 einen „communistischen Aufstand“ zur Befrei­ung der Bauern planten 125). Die Gerüchte von einem solchen Aufstand, der „vorzüglich gegen die Gutsbesitzer und Beamten gerichtet“ sein sollte, mußten auf soviel Glaubwürdigkeit gestoßen sein, daß bereits zahlreiche Gutsbesitzer ihre Familien vom Lande in die Stadt evakuiert hatten. Der Aufstand sollte auch in Krakau ausbrechen, doch fanden sich in der Stadt „keine Beweise demagogischer Umtriebe“, obschon „selbe im benachbarten Podgorze nachgewiesen werden konnten“ 126). Daß die „Gemüter in Kra­kau ruhiger denn je“ waren, ging auch aus einer anderen Anzeige hervor. In Preußen war ein Emissär verhaftet worden, der behauptet hatte, daß sich in dem Freistaat größere Waffendepots befänden, die für einen bevor­stehenden Aufstand angelegt worden seien. Als die Polizei dieser Anzeige nachging, stellte sich heraus, daß es sich dabei um die Wojwodschaft Krakau handelte, die zum Königreich Polen gehörte und im Gouverne­ment Kielce lag, aber von den Einwohnern noch immer Krakau genannt iso) Protokoll n. 1067 von 1842 April 1, ebenda. 121) Protokoll n. 1138 von 1843 April 22, n. 1226 von 1845 November 20, ebenda. 122) Protokoll n. 886 von 1841 Februar 26, ebenda. 123) Protokoll n. 1052 von 1842 Januar 28, ebenda. 124) Protokoll n. 1146/47 von 1843 Juli 12, n. 1162 von 1843 November 6, n. 1142 von 1843 Mai 26, n. 1153 von 1843 September 1, n. 1143 von 1843 Novem­ber 6, n. 1164 von 1844 Januar 4, n. 1212 von 1845 Juni 18, ebenda. — Note n. 18 von 1845 April 17: HHStA RB. 125) Protokoll n. 1219 von 1845 Juni 18: HHStA Lemberg er IP. 126) Note n. 15 von 1845 März 25: HHStA RB.

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