Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

SEIDE, Gernot: Wiener Akten zur polnisch-revolutionären Bewegung in Galizien und Krakau 1832–1845

Polnisch-revolutionäre Bewegung 1832—1845 323 wurde. In dieser Wojwodschaft hatte man schon im Herbst 1844 einen Priester verhaftet, der „communistischer Umtriebe“ bezichtigt worden war und der versucht hatte, die Bauern für einen Aufstand zu gewinnen, der sich gegen Beamte, Offiziere und Gutsbesitzer richten sollte. Nach dem geglückten Aufstand sollte das Land an die Bauern verteilt werden. Ähnliche Umtriebe wurden auch aus dem Gouvernement Warschau und Lublin gemeldet127 128). Dennoch hielten die Schutzmächte es für ratsam, in Krakau eine Untersuchungskommission einzusetzen, die diesen Anzeigen nachgehen sollte. Sie begann im Sommer 1845 ihre Arbeit und blieb bis zum Anschluß des Freistaates an Österreich bestehen12S). Seit Herbst 1845 mehrten sich die Anzeigen über geheime Zusammen­künfte. Unter den polnischen Emigranten in Belgien und Frankreich wurde eine verstärkte Aktivität beobachtet, um „Galizien zu revolutionie­ren“. Aussagen zufolge hielten sich in den böhmischen und mährischen Bädern Führer der Emigration auf, die dort angeblich zur „Kur weilten“, in Wirklichkeit aber Kontakte zu den Flüchtlingen aufnahmen. Derselben Anzeige zufolge hatte Graf Johann Lqdochowski erzählt, daß „seit Wo­chen“ zahlreiche Emissäre über Preußen nach Galizien entsandt würden, um die unteren Volksklassen für eine Revolutionierung zu gewinnen. „Das Ziel sei eine allgemeine Bauernbefreiung in Galizien und die Aus­breitung des Aufstandes auf die anderen Provinzen des geteilten Po­lens“ 129 130 131). Die Richtigkeit solcher Anzeigen wurden durch die Aussagen verhafteter Emissäre bestätigt. So wurden im Zólkiewer Kreis „verdäch­tige Individuen ausgeforscht“, die sich mit Pferdehandel zwischen Rußland und Ungarn befaßten, tatsächlich aber als Kontaktleute zu ungarischen Gutsbesitzern fungierten 13°). Aus anderen Anzeigen ging hervor, daß unter den oberungarischen Gutsbesitzern verstärkte Propaganda betrieben wurde. So hatten alle 20 Gutsbesitzer aus dem Kreis Sanok ihre Teilnahme an einem Treffen der Gutsbesitzer zugesagt, auf dem Mittel und Wege eines Aufstandes beraten werden sollten. Die Versammlung sollte am Jahrestag der Novemberrevolution, dem 29. November 1845, auf dem Gut des Adligen Kallay stattfinden. Beratungspunkt sei ein für das kommen­de Frühjahr geplanter allgemeiner Aufstand. Zur Unterstützung dieses Aufstandes waren größere Geldbeträge gespendet worden, von denen Waffen angekauft werden sollten. So hatten die Gutsbesitzer Sierakowski und Hubicki im Zloczówer Kreis zusammen 2000 Gulden, Graf Zamoyski 800 Gulden und Fürst Sapieha eine unbekannte Summe gespendetm). 127) Note n. 43 von 1844 Dezember 15, ebenda. 128) Note n. 42 von 1845 Juli 27, ebenda. 129) Note n. 59 von 1845 Oktober 23, ebenda. 130) Protokoll n. 1225 von 1845 November 20: HHStA Lemberg er IP. 131) Protokoll nn. 1231, 1234, 1236, 1240 von 1845 November 20, ebenda. 21*

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