Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

SEIDE, Gernot: Wiener Akten zur polnisch-revolutionären Bewegung in Galizien und Krakau 1832–1845

Polnisch-revolutionäre Bewegung 1832—1845 307 kannte man die Richtigkeit der Anzeige und verhaftete viele Mitglieder des Vereins. David selbst vergiftete sich während der Untersuchung 53). Die Mitglieder, die der Verhaftung entgingen, schlossen sich teils dem „Verein der Verbrüderung des polnischen Volkes“ an (siehe unten), teils gründeten sie einen neuen Verein, das „Junge Sarmatien“ 64). Der „Car­bonari Verein“ verfügte in Tarnów über einen Frauenverein, dessen Rolle aber nicht aufgeklärt werden konnte. Vermutlich handelte es sich hierbei um „patriotische Frauen“, die in erster Linie durch Konversation die Idee der polnischen Unabhängigkeit wachhielten. Eng mit dem „Carbonari Verein“ arbeiteten der „Lemberger Bürgerverein“ und die „Gesellschaft der Nationalfreiheit und Unabhängigkeit“ zusammen. Das Ziel dieser Gruppen bestand in der Errichtung einer polnischen Republik in den Gren­zen von 1772, der Verbreitung demokratischer Ideen und der Anwerbung weiterer Mitglieder, insbesondere unter den „untersten Schichten“. Die Vereine verfügten über „bedeutende Vorräte an Waffen und Munition“. Die Mitglieder des „Lemberger Bürgervereins“ waren darüber hinaus ver­pflichtet, nach Ausbruch der Revolution mindestens zwei neue Mitglieder anzuwerben 65). Im Jahre 1833 entstand in Rzepniów die „Gesellschaft der Volks­freunde“, 1835 der „Männerbund“ 5e). Beide Vereine wollten zur Verbrei­tung der Menschenrechte beitragen und kämpften gegen Monarchie und Tyrannei. Dabei setzten die „Volksfreunde“, wie übrigens auch die „De­mokratische Gesellschaft“ in Paris, ihre Hoffnungen auf Ungarn, wo sie in der ruthenischen und serbischen Bevölkerung eine für ihre Zwecke auf­standsbereite Gruppe vermuteten * 55 56 57). Daß diese Hoffnungen völlig an den politischen Tatsachen vorbeigingen, war während der Novemberrevolution deutlich geworden, als die Ruthenen und Serben infolge ihrer Glaubens­verwandtschaft zu den Russen die Niederlage der katholischen Polen 53) Bericht Stiebers (wie oben Anm. 36). — Vortrag Mittrowskis n. 1264 von 1834 September 13, n. 1339 von 1834 September 15, Vortrag Sedlnitzkys n. 454 von 1834 April 30: HHStA CA. — Lewicki XIV f. — Die Carbonari-Vereine leiteten sich von den geheimen Vereinigungen der Köhler Calabriens ab und werden daher im Deutschen auch als „Köhler Vereinigungen“ bezeichnet, dem im polnischen „W?glarstwo Polskié“ entspricht. M) Das „Junge Sarmatien“ wurde später eine Untergruppe der „Allgemei­nen Konföderation des polnischen Volkes“. Von dieser unterschied sich „Sar­matien“ zunächst durch die These, daß nur der Adel und eine kleine Schicht des Bürgertums polnisch-patriotisch denke. „Sarmatien“ lehnte daher auch einen allgemeinen Aufstand des Volkes ab. Die Haupttätigkeit entfaltete das „Junge Sarmatien“ in Galizien; vgl. Lewicki XXVI ff, 42 ff; K i e n i e w i c z Konspi- racje 169 ff. 55) Bericht Stiebers (wie Anm. 36). 56) Kieniewicz Konspiracje 101 f. 5?) Protokoll n. 1335 von 1834 September 24: HHStA CA. — Auch David hoffte in Ungarn und vor allem in Siebenbürgen Unterstützung zu finden, wo­hin er sich 1834 begeben hatte: Kieniewicz Konspiracje 99f; Lewicki 7ff. 20*

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