Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

SEIDE, Gernot: Wiener Akten zur polnisch-revolutionären Bewegung in Galizien und Krakau 1832–1845

308 Gemot Seide wünschten und auf einen russischen Sieg hofften 58). Beim „Männerbund“ ist die Tatsache interessant, daß die Mitglieder fast ausnahmslos deutsche Namen trugen. So war der Verein von einem Deutschen, dem Oberjäger Fischer, gegründet worden. Dieser Verein warb seine Mitglieder unter den Grenzwachen an, um hierdurch leichter die Kontakte zum Königreich Po­len aufrecht erhalten zu können 59 60). Neben diesen Vereinen bestanden zahlreiche Studentengruppen, die offen mit den Revolutionären sympathisierten und die Idee der polnischen Unabhängigkeit unter ihren Mitschülern wachhielten. Während der Revo­lution von 1830/1831 hatten die polnischen Aufständischen aus den Reihen der galizischen Jugend starken Zulauf erhalten. Es ist daher verständlich, daß gerade die jungen Leute nach dem Scheitern des Novemberaufstandes nicht von der Idee der Wiedererrichtung eines selbständigen Polens ab­ließen und ihre gescheiterten Hoffnungen des Sommers 1831 auf anderem Wege verwirklichen wollten eo). Die aktivste Studentengruppe bestand am lateinischen Priestersemi­nar in Lemberg, das hauptsächlich von Angehörigen der polnischen Na­tionalität besucht wurde. Die Studenten des Seminars hatten sich die Ver­breitung revolutionärer Schriften und die Gewinnung der lateinischen Geistlichkeit zum Ziel gesetzt. Nachdem eine Gruppe verhaftet werden konnte, erhielt der Hauptangeklagte fünf Jahre schweren Kerker, weitere 19 Verhaftete leichtere Kerkerstrafen. Interessant ist in diesem Zusam­menhang, daß auch am griechisch-katholischen Seminar in Lemberg verschiedentlich revolutionäre Schriften auf tauchten 61 *). Ein anderes Zentrum der geheimen Agitation war das Ossolineum in Lemberg, dessen Kurator Fürst Heinrich Lubomirski aktiv am November­aufstand teilgenommen hatte und als Stifter der Weichsellegion bekannt war. Zwar konnten alle revolutionären Schriften beschlagnahmt werden, doch mußte gleichzeitig zugegeben werden, daß die „geheimen Verbin­dungen und demokratischen Tendenzen in letzter Zeit“ wieder stark um sich gegriffen hätten ®2). Weitere Schüler- und Studentenorganisationen konnten in Tarnopol und Sambor ausgehoben werden. Im Gymnasium von Tarnopol hatten die Professoren Budzynski und Kieynowski den Schü­lern das Absingen von Revolutionsliedern gestattet. Die Professoren ent­58) Seide Politik 133 ff. '>») Die Grenzwachen wurden auch von den meisten anderen Gruppen als wichtiges Verbindungsorgan betrachtet. Immer wieder wird in den Akten darauf hingewiesen, daß die Grenzwachen mit den Geheimbünden zusammenarbeiteten. 60) L e w i c k i XVII. «i) Bericht Stiebers (wie Anm. 36). — Adam Ursel Proces kleryków Semi­narium lacinskiego we Lwowie 1836—1839 (Lwów 1935); Kieniewicz Konspiracje 101—104. 62) Untersuchungsprotokoll n. 1363 von 1834 September 26: HHStA CA.

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