Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
KÖFLER, Werner: Beiträge zum Urkundenwesen Meinhards II. in den Jahren 1271 bis 1295
Urkundenwesen Meinhards II. 81 zum größten Teil sich nur Kanzleiausfertigungen befinden und andere Urkunden Heuberger nur in Editionen zugänglich waren, mußte eine Unterscheidung in Aussteller- und Empfängerfertigung fast vollkommen unterbleiben. Beispielsweise mußte ihm der große Komplex der Stamser Empfängerherstellung entgehen — ja gerade diese Urkunden waren es, die ihn zu einer so klaren Unterscheidung in Privileg und Litera verführten. So zieht er beispielsweise die große Stamser Stiftungsurkunde als Beispiel für den Typus des landesfürstlichen Privilegs heran 103), die jedoch geradezu einen Prototyp der in den folgenden Jahren aus der Stamser Schreibstube so zahlreich hervorgegangenen Erzeugnisse darstellt. Wenn Heuberger für jene Stücke, die auf Tirol, Zenoburg und anderen Hauptsitzen des Fürsten ausgestellt wurden, und jene, in deren Zeugenreihen Schreiber des Landesfürsten genannt werden, durchwegs Ausstellerherstellungen annahm und auf diese Beispiele seine Untersuchungen aufbaute, so erweisen sich nun diese Annahmen durch das Stamser Beispiel nur zum Teil richtig. Stamser Mönche befanden sich häufig im Gefolge Meinhards und hielten sich sehr oft in Schloß Tirol auf. Stiftungen, Schenkungen, Verkäufe des Landesfürsten oder solche seiner Untertanen, für die er entweder als Beurkunder oder zumindest als Besiegler auftritt, pflegten die Mönche stets selbst in jener feierlichen Form zu mundieren, die sie der landesfürstlichen Kanzlei offensichtlich nicht zutrauten 104). So kam es zu Empfängerfertigungen mit den Ausstellungsorten Schloß Tirol, Petersberg, Kematen u. a.105). Ebenso erscheinen in derartigen Urkunden, auch in solchen mit Stamser Ausstellungsort, landesfürstliche Notare als Zeugen auf l06). Da nun das feierliche Privileg als Empfängerfertigung für die Untersuchung der Urkunden der Tiroler Kanzlei wegfällt, wird man umso mehr der Versuchung, die Kanzleierzeugnisse (was die Urkunden betrifft) in das Schema Litera—Privileg einordnen zu wollen, als nicht ganz gerechtfertigter Vereinfachung widerstehen müssen. Deshalb wird, wie in so vielen anderen Fällen, auch hier eine individualisierende Betrachtungsweise den Gegebenheiten viel eher gerecht werden können. m3) Ebenda 11. 104) Ein interessantes Beispiel liegt in der Urkunde von 1280 Dezember 2 Tirol (Reg. 651) vor (Meinhard überträgt dem Stamser Kloster das Patronatsrecht der heute wegen der romanischen Fresken berühmten Peterskapelle ob Grätsch), mit der Heinrich von Klausen in rührender Weise die Form und Ausstattung des Stamser Privilegs nachzuahmen versucht u. a. mit großzügiger I-Initiale der Invokation, mit Initialen am Beginn der Formularteile und dgl. mehr. 105) z. B. Schloß Tirol 1282 Reg. 332, 335, 336; 1283 Reg. 382; 1291 Reg. 726; St. Petersberg 1287 Reg. 545; 1295 Reg. 942; Mais 1290 Reg. 684; Kematen 1294 Reg. 887. io«) Z. B. die Urkunden von 1275 Reg. 143; 1282 Reg. 332, 335, 336; 1283 Reg. 382; 1291 Reg. 709, 726; 1293 Reg. 783; 1294 Reg. 887; 1295 Reg. 942. Mitteilungen, Band 26 6