Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert
Kammergut und Territorium 53 Fassen wir zuletzt noch die wichtigsten Ergebnisse zusammen: 1) Die Urkunde HHStA AUR 1273 Juni 22, in der erstmals der Name „ob der Enns“ als Beziehungswort zu einer Amtsperson auftaucht, kann nicht dahingehend interpretiert werden, daß das Land ob der Enns bereits unter König Ottokar II. ein eigener Gerichtssprengel geworden wäre. Erst zwischen 1281/83, also unter Albrecht I., entsteht der Gerichtssprengel, der im 14. Jahrhundert als „Hauptmannschaft ob der Enns“ bezeichnet wird und der bisher irrig mit dem Land ob der Enns gleichgesetzt wurde. 2) Die Herrschaft Steyr liegt im 14. Jahrhundert nicht innerhalb dieser „Hauptmannschaft ob der Enns“, sondern ist ein im Lande ob der Enns liegendes, mit der Hauptmannschaft rechtlich völlig gleichgestelltes Territorium. 3) Die traungauische Herrschaftsverwaltung unterscheidet sich von der babenbergischen nur durch die standesqualitative Unterschiedlichkeit der dazu herangezogenen Amtleute. 4) Innerhalb der Verwaltung der babenbergischen Kammergutsbezirke im Lande ob der Enns kann eine hierarchische Gliederung beobachtet werden. 5) Die von Dopsch als Zentralorgane für die landesfürstlichen Besitzungen ob der Enns angesehenen „scribe Anasi“ haben nichts mit einem landesfürstlichen Ämterkonzept zu tun, sondern sind vor allem finanzierungstechnisch zu erklärende „ad hoc“-Einrichtungen. 6) Die Herrschaftsübernahme Ottokars II. brachte Veränderungen im Umfang des obderennsischen Kammergutes: Der König mußte eine Herrschaftsbildung innerhalb der Herrschaft Steyr (Losenstein) zulassen, kompensierte diesen Verlust aber durch die Angliederung des ehemaligen bayerischen Herzogsgutes um Bad Hall. 7) Konflikte des Landesfürsten mit den obderennsischen Ministerialen (Volkensdorfer, Rohrer) gehen auf diese Veränderungen in der Besitzstruktur der einzelnen Herrschaften zurück. 8) Erstmals unter Albrecht I. wird ein „capitaneus Stirensis civitatis“ greifbar, dem die gesamte Herrschaft und die noch nicht aus dem herrschaftlichen Landgericht eximierte Stadt Steyr unterstehen. Steyr vor sein (hauptmannschaftliches) Gericht zu laden (Brunner Land und Herrschaft 206). Der Wortlaut: „... embieten unserm ... Hainrich von Walsse ... hauptmann ob der Enns unser gnad ... Uns haben furbracht unser getreun ... die burger gemeinleich von Steyr, wie du iren mitpurger Hainrichen Zawner für dich geladen habest von ettlicher Sache wegen, die er zerecht vor dem statrichter daselbs verantwurten soll. Wan nu dieselbe unser herrschaft allweg her mit irem gericht gesundert gewesen ist, davon empfelhen wir dir ...“ Heinrich war 1378 Mitpfandinhaber von Steyr, so daß er den Steyrer Bürger möglicherweise in seiner Eigenschaft als Burggraf vor das Herrschaftsgericht geladen hat.