Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert
34 Max Weltin Polheim bezüglich verschiedener Güter in St. Peter/Au m). Daß damit kein steirischer Landeshauptmann gemeint sein kann, zeigt eine Reihe weiterer Urkunden, in denen der Kapeller „capitaneus Stirie civitatis“ genannt wird. Es handelt sich bei diesen Stücken um drei kurz aufeinanderfolgende Gütervergabungen an Spital/Pyhm: Die Titel, mit denen der Kapeller jeweils bezeichnet wird, geben zunächst zu einer interessanten Beobachtung Anlaß. Am 29. Januar 1282 schenkt Wernher von Schlierbach dem Spital drei Huben in Sautarn; Spitzenzeuge dieser Schenkung ist Ulrich von Kapellen, „capitaneus Sti- rensis civitatis, iudex provincialis superioris Austrie“ 176 177). Am 31. Januar 1282 schenkt Gottfried Truchs dem Spital Objekte im Garstental; wieder ist der Kapeller erster Zeuge, doch wird er diesmal nur „capitaneus Stirie civitatis“ genannt m). Am 19. Februar 1282 überläßt Otto von Zelking sein Recht auf ein Lehen im Garstner-Tal dem Spital; diesmal trägt der Kapeller als erster Zeuge den Titel „capitaneus Stirie civitatis et iudex provincialis supra Anasum“ 178 179 *). Die Ausstellungsorte der drei Urkunden sind in der hier eingehaltenen Reihenfolge Enns, Spital/Pyhrn und Steyr. Hier fällt der unterschiedliche Titel des Kapellers bezüglich seines Landrichteramtes auf: einmal (oberer) Landrichter von Oberösterreich (im Sinne Zibermayrs), dann aber nur mehr (oberer) Landrichter ob der Enns. Es wäre absurd anzunehmen, innerhalb der drei Wochen, die diese Urkunden auseinanderliegen, wäre der Zeitpunkt der „Verordnung“ Albrechts zu suchen, die das Land ob der Enns auch de iure zum selbständigen Land gemacht hätte. Obendrein ist Ulrich von Kapellen schon seit 24. Juli 1281 als „Landrichter ob der Enns“ nachweisbar 17»). Die Unterschiede in der Titelgebung dürften vielmehr mit dem Ausstellungsort Zusammenhängen. Enns war ja während der bayerischen Pfandschaft der Vorort Oberösterreichs und Sitz des „capitaneus“ Konrad von Sumerau, dem der „districtus“ zwischen der Enns und der Ybbs unterstellt war 18°). Immerhin kann man an dieser schwankenden Terminologie erkennen, daß in den Jahren 1281/83 tatsächlich die für das Land ob der Enns wesentlichen administrativen Änderungen stattgefunden haben. Stets gleich blieb in allen drei Urkunden der „capitaneus Stirie civitatis“. Wir werden dabei zunächst zu fragen haben, was unter der „civitas Steier“ zu verstehen ist. Hier hilft uns eine von Ernst Klebel bemerkte Tatsache weiter. Er stellte nämlich fest, daß die im Habsburgischen Urbar verzeichneten „iudicia civitatum“ keineswegs Stadtgerichte sondern Landgerichtssprengel sind, aus denen jeweils das ummauerte Stadtgebiet noch i7») W i c h n e r Admont 2 390 f. 176) UBOE 3 541 f. Das Objekt „Sautarn“ muß bei Schlierbach gesucht werden; vgl. Franz Xaver Pritz Geschichte des einstigen Kollegiatstiftes weltlicher Chorherren zu Spital am Pyhrn im Lande ob der Enns in AÖG 10 (1853) 261. 177) AÖG 72 231 f. Das „feodum Gasteige super Styram in valle Garstensi“ identifiziert Schiffmann Ortsnamenlexikon 1 (Linz 1935) 336 mit Gasteig bei Klaus, GB Kirchdorf, und heute ein Bauernhaus in der Ortschaft Kniewas. Kniewas ist aber ein zur Herrschaft Steyr gehöriges Amt (LFU 1/1 210, 308 f). 178) UBOE 3 543. Das Objekt ist ein Lehen „under dem Puhel“ im Garstental, wahrscheinlich ebenfalls im Amte Kniewas gelegen. 179) Emst Schwind - Alfons D o p s c h Ausgewählte Urkunden zur Verfassungs-Geschichte der deutsch-österreichischen Erblande im Mittelalter (Innsbruck 1895) (= AU) 127. is») Wie Anm. 171.