Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

GÖRLICH, Ernst Joseph: Ein Katholik gegen Dollfuß-Österreich. Das Tagebuch des Sozialreformers Anton Orel

Tagebuch Orel 401 schriebenen Listen!). Kürzlich habe Muckermann2») in Wien Vorträge gehalten und darin von Ansätzen zum Guten in Österreich gesprochen. Wenn ein so großer ausländischer Gelehrter das konstatiere, könne es doch nicht so schlimm stehen, wie Orel es sich vorstelle, „daß alles nach dem Neuesten umgehauen werde“ (wörtlich so!). Er kenne mich schon seit 1910. Er habe als Volksbund­mann manchen Strauß mit mir ausgefochten (ist gar nicht wahr). Man dürfe aber nicht „nur nörgeln und kritisieren“, sondern solle mitarbeiten, wenn man bessern wolle; dazu sei Gelegenheit in der Karitas, bei der Bildungsarbeit usw. Ich erwiderte auf diese Flegeleien gar nichts. Nach Schluß der Versammlung kamen Leute zu mir, um mir ihre Zustimmung auszusprechen und Verbindung anzuknüpfen. Auch Renzer kam herbei. Und da ich den Leuten erklärte, was vorgefallen sei und daß ich nur über Wunsch des Pfarrers überhaupt erschienen sei und gesprochen habe, aber diese Behandlung erfahren hätte, kam auch der Pfarrer herbei. Ich erklärte ihm, daß ich von ihm und Reger hinausgeworfen worden sei. Er: „Das war nicht so gemeint. Darf man denn keine andere Mei­nung äußern?“ Reger dozierte von „Störungen“, die meine Leute schon vor 25 Jahren in Volksbundversammlungen veranstaltet hätten usw. Ich hatte also wieder „gestört“. Der Pfarrer: „Wir sprechen über die Sache noch weiter“. Ich brachte aber zum Ausdruck, daß ich nach dem Vorgefallenen, da ich doch über­haupt nur über seinen Wunsch gesprochen und dann so behandelt worden sei, dazu keine Lust habe. (38) Billigung der sozialen Volksaktion. Auf Brief von Pfarrer Schmid (St. Rochus) hin besuche ich ihn am 3. März. Er weist mich an Dr. Alt, den ich am 9. März aufsuche. Alt ist stark entflammt für den Plan. Sagt: „Unser Klerus gehört den Bolschewiken zur entsprechenden Behandlung übergeben“. Er rät mir, mit Dr. Rudolf Verbindung zu suchen. 16. März bin ich bei Rudolf. Er verlangt eine schriftliche Darstellung für den Kardinal. Ich bringe sie ihm am 30. März. Er läßt sie begutachten. Alle 6 Gutachten sind positiv. Trotzdem große Ver­zögerung. Hinausschiebung. Endlich am 29. April erklärt mir Reininghaus die An­nahme des Planes. Ich solle in meiner Arbeit fortfahren. Für 13. Mai ist eine Sitzung im sozial-wirtschaftlichen Institut in Aussicht genommen. 18. April Männerversammlung der katholischen Aktion St. Rochus im Dre­hersaal. Ich spreche mit gutem Erfolg über die Arbeits- und Eigentumslehre. 28. April spreche ich in der Jugendgruppe St. Rochus über den „Fünfjahr­plan“. Große Begeisterung. Auch Dr. Rach (?) ist stark dafür. Fortsetzung für 12. Mai beschlossen. War dann noch einmal dort. Einladung von Kooperator Zimmerl, in der Pfarrjugendgruppe Breitenfeld zu sprechen. Geschieht am 31. Mai 1937 mit großem Erfolg. Zimmerl und andere verlangen die Bildung eines Organisationskommitees. Ich werde zu dessen Ob­mann gewählt. Mehrere Sitzungen des Kommitees, das immer schlechter be­sucht wird, schließlich einschläft. Ähnlich geht es mit den Versammlungen. Es zeigt sich auf der Landstraße wie in Breitenfeld und bei den Pfarrern usw., daß die katholische Aktion aktionsunfähig ist. Erste Sitzung des Arbeitskreises von Reininghaus für 25. Mai 37 einberufen. 28 28) P. Hermann Muckermann (1877—1962), Biologe, und sein Bruder P. Friedrich Muckermann (1883—1946), Literaturkritiker. Welcher von beiden Brü­dern (Jesuiten) hier gemeint ist, läßt sich nicht feststellen. Eher handelt es sich um Hermann Muckermann. Mitteilungen, Band 26 26

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