Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert
2 Max Weltin mittelalterlichen Landes ob der Enns entsprach 4). Dieses Landtaiding ist auch unter der Herrschaft König Ottokars II. zu belegen. In Woko von Rosenberg, dem Vertreter des Königs bei diesen Gerichtsversammlungen (1256), sieht Brunner den ersten obderennsischen Landeshauptmann und in der „provincia supra Anasum“ seinen Gerichtssprengel. Der Gerichtssprengel des Hauptmannes ist für ihn identisch mit dem Lande ob der Enns 5). Hier liegt freilich eine Ungenauigkeit vor: der Amtsbereich des Hauptmannes ob der Enns wird nämlich seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts als „Hauptmannschaft ob der Enns“ bezeichnet6). Nimmt man also mit Brunner an, der Amtsbereich decke sich mit dem Land ob der Enns, dann wird man für verschiedene, quellenmäßig einwandfrei nachweisbare Erscheinungen keine rechte Erklärung finden. Die schon erwähnten Sonderbezirke lägen dann nämlich alle innerhalb der „Hauptmannschaft ob der Enns“ und wären, wohl graduell abgestuft, von der Amtsgewalt des Hauptmannes eximiert zu denken. Dem widerspricht aber, daß der „districtus iudiciorum“ der Grafen von Schaunberg und damit auch ihr „placitum“ qualitativ durchaus dem Gerichtssprengel der „Hauptmannschaft“ und deren Landtaiding gleichzusetzen ist7). Der Teilungsvertrag von Neuberg/Mürz weist die „Pfleg ze Steyr“ als der „Hauptmannschaft ob der Enns“ und der „Hofschranne ze Wien“ gleichrangig aus und stellt den „Pfleger zu Steyr“ in eine Reihe mit dem „Hauptmann ob der Enns“ und dem „Landmarschall“ 8). Dazu passen auch die unterschiedlichen Gewährleistungsformeln in den obderennsischen Urkunden: Während nämlich die besagte Formel von 1325 bis gegen das Jahrhundertende im Gebiet der Hauptmannschaft „nach Recht des Landes ob der Enns“ lautet, heißt sie in der Riedmark, im Machland, im Ischlland und in der Herrschaft Steyr zur gleichen Zeit nur „nach Landsrecht“ oder „nach Landsrecht zu Österreich“ 9). Daraus ergibt sich, daß im 14. Jahrhundert die „Hauptmannschaft ob der Enns“ nicht ein das ganze Land umfassender Gerichtsbezirk gewesen ist. Die „Hauptmannschaft“ ist wesentlich kleinräumiger; man wird sie etwa als „die Summe aller landesfürstlichen Besitzungen und Rechte in4) Othmar Hageneder Die Anfänge des oberösterreichischen Landtaidings in MIÖG 78 (1970) 287 f. 5) Brunner Land und Herrschaft 206. 6) Urkundenbuch des Landes ob der Enns (— UBOE) 8 (1883) 122 (1363 Januar 11 Judenburg); die von Ignaz Zibermayr Noricum, Baiern und Österreich (Horn 21956) 453 angegebene erste Nennung der Hauptmannschaft zu 1322 (UBOE 5 [1868] 333) beruht auf einer falschen Datierung; die Urkunde ist nach 1379 zu reihen. ?) Othmar Hageneder Die Grafschaft Schaunberg in Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs (= MOÖLA) 5 (1957) 200 f. 8) UBOE 9 (1906) 702 ff (1379 September 25 Neuberg/Mürz). e) Zusammenstellung der Belegstellen in meiner Dissertation Beiträge zur Geschichte der Hauptmannschaft ob der Enns (Wien 1970) 71 ff.