Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)

KÖFLER, Werner: Beiträge zum Urkundenwesen Meinhards II. in den Jahren 1271 bis 1295

92 Werner Köfler (1) „Ne rerum gestarum series processu temporis varietur, solent eedem litte­rarum testimonio stabiliri“ (1281 Oktober 23, Reg. 322). (2) „Humane fragilitatis acta cum tempore labuntur et transeunt nisi scrip­tis et testibus in posterorum memoriam diffundantur“ (1281 Dezember 21, Reg. 326). (3) „Gestorum series processu temporis corrumpitur aut mutatur nisi scrip­turis vel testibus fulciatur“ (1282 April 7, Reg. 342). (4) „Gestis hominum oblivio mater licium inducit errorem si scriptis vel testibus non firmantur“ (1282 August 14, Reg. 356). Der Notar Albero pflegte gewöhnlich die Urkunde mit Verbalinvoka- tion und Kundmachungsformel einzuleiten. Nur die zwei Urkunden für Georgenberg von 1277 Juli 2 Schloß Thaur (Reg. 200, 201) weisen nach einer Verbalinvokation folgende Arengen auf: (1) „Gesta hominum memorie digna solent scriptis et testibus perhennari ne diuturnitate temporis in oblivionem et calumpniam deducantur .. (2) „Ne materia et occasio litibus detur expedit gesta hominum scripturis ac testibus memorie commendare“. Vor allem die erste Arenga dürfte aus dem Diktat Rudolfs von Isny hervorgegangen sein. Außer diesen Arengentypen scheinen noch folgende, nicht zuweisbare (da nur kopial überliefert) auf, die auch durchaus sowohl ihrem Inhalt als auch einzelnen Wortgruppen gemäß mit den zitierten übereinstimmen: (1) „Ne gesta hominum sub tempore perpetuo mansura simul transeant cum tempore scripture custodia remedium nobis commodat salutare quam seriem actionem sua incommutabili loquitur veritate“ (1280 Juli 24, Reg. 290). (2) „Nisi scripturis et testibus gesta mortalium roborentur cum tempore, quo fiunt, simul transeunt et memorie nomen perdunt“ (1284 Juli 5, Reg. 427). (3) „Offensare consuevit oblivio mater licium mortalium gesta, quae nec adhibicione testium nec annotacione scripture memorie commendantur“ (1287 Mai 20, Reg. 534). Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Arengen der landes­fürstlichen Kanzlei die „memoria“ und die Zeitklage zum Hauptmotiv ha­ben 118) und durchwegs den Beweischarakter der Urkunde betonen; wenn sie da und dort neben der Beurkundung auch die Zeugen als Mittel auf­führen, daß ein vollzogenes Rechtsgeschäft nicht in Vergessenheit gerate, so ist das ein besonders antiquiertes Relikt. Aber gerade in der Arenga währte die Tradition am längsten fort. Ab Mitte der achtziger Jahre ist aber die Urkunde ohne Invokation und Arenga zur alleinigen Regel ge­worden. Bis dahin konzipierten die einzelnen Schreiber, vor allem Wil­helm, Rudolf von Isny und, in gewisser Abhängigkeit zu letzterem, Diet­rich von Pflugdorf bei aller Gleichförmigkeit doch ihre eigenen Arengen. Die verschiedenen Publikationsformeln sind allgemeiner Kanzleige­118) vgi. Heinrich Fichtenau Arenga. Spätantike und Mittelalter im Spiegel von Urkundenformen (MIÖG Erg. 18, 1957) 129 ff.

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