Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 26. (1973)
WELTIN, Max: Kammergut und Territorium. Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert
Kammergut und Territorium Die Herrschaft Steyr als Beispiel landesfürstlicher Verwaltungsorganisation im 13. und 14. Jahrhundert Von Max Weltin (Wien) Der Anlaß für diese Studie war der Fund einer Urkunde in der Allgemeinen Urkundenreihe des Haus-, Hof- und Staatsarchivs'). Auf den ersten Blick schien ihr Rechtsinhalt geeignet, neue Ergebnisse hinsichtlich einer entscheidenden Phase der Landwerdung des heutigen Oberösterreich zu bieten. Bei eingehenderer Betrachtung stellte sich aber heraus, daß eine zutreffende Interpretation nur aufgrund einer Untersuchung der Verwaltungsorganisation der landesfürstlichen Herrschaft Steyr möglich war. Dabei konnte Steyr allerdings nicht als vom obderennsischen Territorium isoliert behandelt werden, da es innerhalb desselben, ähnlich wie die Grafschaft Schaunberg, das Machland, die Riedmark und das Ischlland, eine Sonderstellung eingenommen hat * 2). Diese Sonderstellung innerhalb eines als übergeordnete Einheit zu denkenden Landes war aber — im Gegensatz zu den Ursachen, die im Einzelfall dazu geführt haben mochten — allen angeführten Landesteilen gemeinsam. Zweckmäßigerweise wird man daher eine Detailuntersuchung im oben angeführten Sinne mit einer Klarstellung des Wesens dieser Sonderstellung zu beginnen haben. Dabei ist zunächst auf Otto Brunner zu verweisen, der im Streit, ob der südlich der Donau gelegene Teil des Landes ob der Enns zwischen 1180 und 1254 zu Österreich oder zur Steiermark gehört habe, eine dritte Möglichkeit zur Diskussion stellt: das Gebiet sei als selbständige landrechtliche Einheit mit eigener Gerichtsgemeinde und eigenen (oberen) Landrichtern im fraglichen Zeitraum bereits ein potentielles Land gewesen; so gesehen sei es im Grunde unwesentlich, ob man es zu Österreich oder zur Steiermark schlage3). Die Richtigkeit dieser Behauptung Brunners wurde vor kurzem durch Othmar Hageneder bestätigt, der für die späte Babenbergerzeit (um 1235) einen Vorläufer des Hauptmannes ob der Enns nach- weisen konnte, an dessen Taidingsversammlung Herren, Ritter und Knechte aus einem Umkreis teilgenommen haben, der etwa dem des spät1) Vgl. Anhang S. 54 f. 2) Otto Brunner Land und Herrschaft (Wien—Wiesbaden 41959) 206. 3) Ebenda 205. Mitteilungen, Band 26 1